Berliner Piraten nach der Wahl: E-Mails für Westerwelle
Wenige Tage nach der Wahl halten die Berliner Freibeuter Kurs. Sie wollen außerparlamentarisch die FDP beeinflussen - und 2011 ins Abgeordnetenhaus einziehen.
Maik ist zum ersten Mal hier. Am Wahlsonntag, kurz nach 18 Uhr, trat er der Piratenpartei bei. Er war auf der Wahlparty, hat mitgefeiert, als die Piraten bundesweit zwei Prozent der Strimmen bekamen. In Friedrichshain-Kreuzberg waren es sogar sechs. Die Piraten des Bezirks feierten stilecht mit einer Flasche Rum. Jetzt steht Maik mit anderen Piraten vor der Bar Breipott in Kreuzberg und hebt wie vier andere die Hand, als gefragt wird, wer denn alles neu sei.
Hier treffen sich wöchentlich die Berliner Piraten. Im Breipott gibt es freies W-LAN und Rechner, an denen Besucher legal Musik auf ihre USB-Sticks kopieren können. Die meisten Piraten sitzen draußen auf den bunten Stühlen. Es sind mehr Laptops als Frauen zu sehen, auf das Fenster wirft ein Beamer verpixelte 90er-Jahre-Spiele.
Maik dreht sich eine Zigarette. Der 24-jährige Software-Entwickler mit blonden, schulterlangen Haaren sympathisiert schon länger mit der neuen Partei. Den ersten Kontakt hatte er online. "Jetzt will ich mal die Leute hinter der Mailingliste kennen lernen." Bei der Bundestagswahl 2005 hat er noch in München gewohnt - und CSU angekreuzt. "Mein größter Fehler", sagt er jetzt. Die Konservativen seien ihm zu autoritär. Deswegen wolle er auch nicht zu den Jungen Liberalen, dem Nachwuchsverband der FDP, obwohl er viele inhaltliche Parallelen sehe. Ihm sei wichtig, dass Entscheidungen von unten nach oben getroffen werden, betont Maik.
Gesprächsthema Nummer Eins an diesem Abend sind die Folgen der Wahl. Einige Piraten setzten hoffen auf Sabine Leutheusser-Schnarrenberg (FDP), die eine liberale Justizministerin werden könnte. "Die nächsten vier Jahre werden bessere für die Bürgerrechte als die vergangenen", sagt jemand, andere schütteln die Köpfe. "Für die FDP ist der Haushalt wichtiger als Bürgerrechte", vermutet einer. Die Piraten wollen auf die Liberalen in den Koalitionsverhandlungen Druck machen. E-Mails schicken, Massen-Faxe senden.
Auch die Abgeordnetenhauswahl 2011 wird diskutiert. Der Landesvorstand überlegt, die nächste Sitzung in die Kantine des Landesparlaments zu verlegen. "Probesitzen", ruft einer und alle lachen. Ein Parteimitglied hat nachgerechnet: Vorausgesetzt die Piraten bekämen 2011 absolut genauso viele Wähler in Berlin wie jetzt bei der Bundestagswahl, die Wahlbeteiligung insgesamt aber würde gleichzeitig erwartungsgemäß niedriger ausfallen. Dann hätten die Piraten 4,3 Prozent - und säßen fast im Abgeordnetenhaus. Mathematik als Motivation.
Zum Stammtisch kommen nicht nur hornbebrillte Computernerds. Es sind auch Anzugträger und Hippster da. Und Florian Bischof. Der erste Kandidat der Berliner Piraten ist 31 Jahre alt, Informatiker, und hat den Montag nach dem Wahltag erstmal komplett im Bett verbracht. Auf seinem iPhone schaut er auf Youtube noch einmal an, wie Jürgen Trittin am Samstagabend im Fernsehen behauptete, der Gründer der schwedischen Piratenpartei hätte aufgerufen, grün zu wählen. Tatsächlich habe dies nur der Gründer der schwedischen Internetplattform "Pirate Bay" getan, sagt Bischof. Hat Trittin etwas verwechselt? "Das war eine bewusste Falschaussage. Ein Politiker sagt nichts aus Versehen", meint Bischof.
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