Berliner Moschee: Die große Glaubensfrage
Vor knapp einem Jahr wurde die Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde in Heinersdorf eröffnet. Der Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern hat sich beruhigt - gelöst ist er nicht
Der Imam Abdul Basit Tariq kann sich einen spöttelnden Blick nicht verkneifen, wenn er von den fünf Wahlkampfaktivisten der NPD berichtet, die vor kurzem zur Khadija-Moschee in die Tiniusstraße kamen. "Vor dem Nachbargrundstück bauten sie einen Stand auf und hielten ein Transparent hoch. Darauf forderten sie den Rückbau der Moschee." Angst habe er nicht vor den Neonazis, sagt der 62-jährige Imam gelassen. "Innerlich habe ich gelacht und mich gefragt, was wollen diese armen Leute?"
Seit fast einem Jahr steht nun schon der weißverputzte Moscheebau mit einer Kuppel und einem Minarett, gebaut von der Ahmadiyya-Gemeinde, die ihre Wurzeln im indischen Punjab hat - und bis heute ist in Heinersdorf keine Normalität eingekehrt. Zwar zitiert der Imam gerne aus Briefen, deren Absender seiner Gemeinde wohl gesonnenen sind. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass es weiterhin viele Ressentiments gibt.
"Frieden für alle, Hass für niemanden", heißt der etwas ungelenke Leitspruch der Ahmadiyya-Gemeinde. Joachim Swietlik traut solchen Parolen nicht. Hinter dieser freundlichen Fassade verberge sich eine von Männern autoritär geführte Religionsgemeinschaft, davon ist Swietlik überzeugt - und davon lässt er auch nicht ab. Ein Indiz dafür sei seine Beobachtung über den Zaun hinweg, dass die Frauen auf dem Moscheegelände noch immer "verpackt wie in Pakistan" herumliefen. Swietlik und seine Mitstreiter von der Interessengemeinschaft Pankow Heinersdorfer Bürger (ipahb) finden das frauenfeindlich.
Ihr Widerstand hatte sich formiert, als die Ahmadiyya-Gemeinde im Frühjahr 2006 die Pläne für ihren Moscheebau vorstellte. Bei einer Bürgersammlung kurz darauf in einer Heinersdorfer Schule war die Stimmung aufgebracht. In der Folgezeit sammelte die ipahb 20.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die Moschee, das jedoch nicht zugelassen wurde. Protestierte die ipahb gegen die Moschee, hatte sie stets Neonazis im Schlepptau. Auf der Gegenseite formierte sich ein breites Bündnis von Pankower Politikern, Kirchenvertretern und linken Gruppen, das die Religionsfreiheit in Gefahr sah.
Das Pankower CDU-Mitglied im Abgeordnetenhaus René Stadtkewitz, einer der führenden Köpfe der ipahb, beschreibt das Verhältnis zwischen Politik und Bürger in Heinersdorf noch heute als gespannt, weil der Bezirk Pankow - dessen Bürgermeister von der SPD gestellt wird - seit Jahren nichts weiterentwickelt habe. "Die Straßen sind kaum ausgebaut, die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich nicht in den politischen Prozess eingebunden, und zum Dank dafür bekommen sie noch die Moschee. Das ist die vielfache Wahrnehmung." Der Christdemokrat sieht sich gern als als Sprecher dieser Unzufriedenen.
In dieser Funktion wurde er angegriffen, nicht nur verbal. Im August 2006 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf sein Wohnhaus. Kurz darauf gab er der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit ein Interview und war fortan auch im eigenen politischen Lager umstritten. Sein Parteifreund Bernhard Lasinski ging noch weiter und marschierte auf einer NPD-Demonstration gegen die Moschee mit. Anschließend musste er aus der Partei austreten, um einem Ausschluss zuvorzukommen.
Inzwischen ist Lasinski wieder in die CDU aufgenommen worden, und langsam kehrt der Alltag nach Heinersdorf zurück. Im Juni hat die Ahmadiyya-Gemeinde einen öffentlichen Spielplatz neben der Moschee eingeweiht. Dagegen hat auch Joachim Swietlik nichts einzuwenden: "Der Imam hat die Kinder noch nicht zum Beten abgeholt."
Imam Abdul Basit Tariq macht keinen Hehl daraus, dass für seine Gemeinde Heinersdorf kein Wunschstandort ist. "Wir wären gerne nach Wedding gegangen. Viele unserer Gemeindemitglieder wohnen dort." Aber in Wedding fand die Gemeinde kein passendes Bauland. Der Standort in der Tiniusstraße war eine Notlösung und nicht, wie die ipahb vermutet, Kalkül und Expansionsdrang.
Heinersdorf übt nur wenig Anziehungskraft für Fremde aus. "Es ist noch immer ein trister Vorort", findet Sandra Caspers, Vorsitzende der Zukunftswerkstatt, einem Nachbarschaftsverein, den Verteidiger des Moscheebaus gegründet haben. Wenn Caspers über Heinersdorf redet, dann unterscheidet sich das gar nicht so sehr von René Stadtkewitz. Der Stadtteil sei über Jahre vernachlässigt worden, meint auch sie. Allerdings gebe es Wichtigeres zu tun, als sich über eine Moschee aufzuregen, findet Caspers. "Wir haben hier zuhauf soziale Probleme." Darin sieht die Zukunftswerkstatt ihr Aufgabengebiet. In dem Nachbarschaftstreff in der Berliner Straße versucht sie, auch die Frauen der Ahmadiyya-Gemeinde ins soziale Leben einzubinden.
Imam Tariq bemüht sich seinerseits um Transparenz. Die Moschee ist stets geöffnet, fast täglich führe er Besuchergruppen über das Gelände. Zwischen den Gebeten im Fastenmonat Ramadan, der noch bis zum 19. September anhält, koordiniert er die Gemeindeaufgaben. Dann sitzt er am Schreibtisch und wirkt wie ein PR-Arbeiter. Er telefoniert viel und verschickt Einladungen für ein gemeinsames Fastenbrechen mit der evangelischen Pfarrerin Ruth Misselwitz am Dienstagabend (ab 18 Uhr). Während des Ramadans beginnen die gläubigen Muslime erst nach Sonnenuntergang wieder zu essen. In der Khadija-Moschee gibt es dann gewöhnlich Milch und Feigen.
Der Imam freut sich bereits auf den Austausch mit der Pfarrerin. "Sie wird uns vom Fasten im Christentum erzählen, und ich berichte über den Ramadan, der unser geistiger Frühling ist", sagt er und fügt an: "Wir akzeptieren alle Propheten." Das klingt wie eine Rechtfertigung.
Abdul Basit Tariq greift erneut zum Telefon und ruft Joachim Swietlik an, um auch ihn einzuladen. Doch es springt nur seine Mailbox an.
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