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Berliner LandespolitikSchnell wieder bei Sperlingskästen

Das Leben geht weiter im Abgeordnetenhaus, auch am Tag nach dem Scheitern der Ampel-Koalition und dem Wahlsieg von Donald Trump.

Der spätere Minister Rainer Eppelmann erzählte in einer Feierstunde des Parlaments, wie er die Grenzöffnung vor 35 Jahren erlebte Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin taz | Trump wieder US-Präsidenten. Die Bundesregierung am Ende. Und in Sachsen Gespräche über eine Koalition von CDU, SPD und BSW gescheitert – was einem vorherigen Treffen dort zwischen CDU und AfD eine ganz neue Bedeutung gibt. Wie würde sich das im Berliner Abgeordnetenhaus niederschlagen, das nach diesen Ereignissen an einem besonders grauen Morgen erstmals seit drei Wochen wieder tagt?

Gemessen an den geballten schlechten Nachrichten ist die Stimmung im Plenarsaal gut – soweit sich das von der Presse­tribüne oberhalb erfassen lässt. Auch in den Gängen oder im Parlamentsrestaurant sind nicht nur Trauermienen zu sehen. Vielleicht auch, weil es immer noch schlimmer ginge und bei den Älteren des Hauses „der Tag danach“ für einen Film aus den 80ern über einen Atomschlag stehen könnte.

Es sind dabei nicht nur die Ereignisse des Vortags, die dieser Sitzung etwas Besonderes verleihen. Das Parlament erinnert in einer vorangehenden Gedenkstunde zugleich an den Mauerfall vor 35 Jahren. Rainer Eppelmann, nach der ersten freien Volkskammerwahl DDR-Abrüstungs- und Verteidigungsminister, erzählt als Gastredner, wie er die Öffnung der Grenze an der Bornholmer Straße hautnah erlebte – „diese Stunde ist bis heute die bewegendste meines Lebens“.

Von der AfD-Fraktion ist in der anschließenden Rederunde zum 9. November eine Verbindung zur US-Wahl zu hören: Es sei „eine Genugtuung für viele Ostdeutsche, dass Trump die Wahl gewonnen hat“. Der könne mehr für das Zusammenwachsen in Deutschland tun als viele Ost-Beauftragte. Mit dieser Sicht bleibt sie am Rednerpult allein.

Von globalen Folgen zum Jahnstadion

Das Ende der Ampelkoalition tauscht zum ersten Mal in der Fragestunde auf, als es um das Thema Musikschulen geht und ein jüngstes Gerichtsurteil dazu, das Honorartätigkeiten kritisch betrachtete. Ob das Ende der Ampel Konsequenzen bei diesem Thema habe, will ein CDU-Abgeordneter vom Senat wissen. Das klingt wie eine Vorlage für seinen Parteifreund und Regierungschef Kai Wegner, die Lage grundsätzlich zu beurteilen: „In dieser Zeit keine handlungsfähige Bundesregierung zu haben ist, vorsichtig gesagt, zumindest nicht gut.“

Wer in den Reihen der Abgeordneten gerade noch über globale Folgen der Trump-Rückkehr ins Amt nachsinnt oder darüber, welche die Folgen das Ampel-Aus für das Vertrauen in die Demokratie hat, den holt eine der nächsten Fragen schnell in die Berliner Details zurück. Es geht um den Abrissstopp beim Jahn-Stadion. Und da ist dann ein Landesminister gefragt, Details zum Umgang mit Sperlingskästen darzulegen.

Wäre es nicht der Tag nach den Großnachrichten, so würde etwas anderes weit mehr im Blick sein: wie sich nämlich die Linkspartei präsentiert. Es ist schließlich die erste Plenarsitzung nach den dortigen Verwerfungen zu Antisemitismus. Mehrere prominente Abgeordnete waren deswegen ausgetreten, darunter die in der letzten Reihe sitzenden Ex-Senatoren Lederer, Breitenbach und Scheel.

Tippen statt applaudieren

Drei Reihen vor ihnen hat die Landesvorsitzende Franziska Brychcy ihren Platz, die die drei am Dienstag mit dem Parteivorstand aufgefordert hatte, ihre Mandate abzugeben. Äußerlich sind keine Animositäten festzustellen. Der aufmerksame Blick auf Brychcy hält aber immerhin fest, dass sie anders als die Ex-Senatoren gleich zweimal nicht klatscht, sondern auf ihrem Computer tippt, als es um Solidarität mit der Ukraine geht.

Auf der Besuchertribüne hatten am Morgen auch Ex-Regierungschefs und die SPD-Spitze die Feierstunde mitverfolgt. Wäre zudem ein mit drei Worten zu einer verpassten Meisterschaft berühmt gewordener früherer Frankfurter Fußballtrainer geladen gewesen, hätte er vielleicht auch in Sachen Politik gesagt: „Lebbe geht weider.“

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