piwik no script img

Berliner LandespolitikHärtere Linie bei Abschiebungen

Innenausschuss veranstaltet eine Anhörung über die Abschiebepraxis in Berlin. Gewerkschaft der Polizei präsentiert eine Wunschliste.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Abgeordnetenhaus Foto: dpa

Berlin taz | Der Fünfpunkteplan hat es in sich. Vor ein paar Wochen hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) das Vorhaben vorgestellt, mit dem eine härtere Linie bei Abschiebungen durchgesetzt werden soll. Bei einer Anhörung am Montag im Innenausschuss über die Abschiebepraxis in Berlin und die Auswirkung auf Betroffene ging es auch um dieses Vorhaben. Geladen waren VertreterInnen des Flüchtlingsrates, des Roma und Sinti Netzwerks, ein Anwalt für Migrationsrecht und der Vorsitzende der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Mit dem Fünfpunkteplan soll etwa verhindert werden, dass Abschiebungen von Familien scheitern, wenn minderjährige Angehörige zum Zeitpunkt des Zugriffs der Polizei nicht vor Ort sind. Oder, dass Abschiebungen nicht durch Vorwarnungen über Social Media an die Betroffenen vereitelt werden.

Rund 16.000 ausreisepflichtige Menschen leben in Berlin, bei dem überwiegenden Teil ist der Vollzug der Abschiebung ausgesetzt, wie Engelhard Mazanke, Chef des Landeamtes für Einwanderung (LEA) am Montag sagte. „Jeder Geduldete ist ausreisepflichtig und kann auch abgeschoben werden.“

GdP-Chef Stephan Weh wartete bei der Anhörung mit einer Wunschliste auf. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 516 Abschiebungen vollzogen, 395 davon nach Festnahmeersuchen durch das LEA. Im Vorjahr waren es 635 Abschiebungen. „In beiden Jahren“, so Weh, „lagen die Festnahmeersuchen durch das LEA etwa viermal so hoch“.

Zimmernummer mitteilen

Weh forderte eine Mitwirkung der Unterkünfte. Manchmal seien Menschen, die abgeschoben werden sollen, wochenlang aus den Heimen verschwunden. Auch die Zimmernummern müssten den Polizeikräften mitgeteilt werden. Polizeipräsidentin Barbara Slowik unterstützte das im Ausschuss: Man kenne die Zimmernummern oft nicht, weil oft Zimmer getauscht würden.

Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat wies eine Mitwirkungspflicht der Heimbetreiber zurück. Und die Bewohner hätten keinerlei Verpflichtung ständig in der Unterkunft zu bleiben. Barnickel sprach von einer verhärteten Debatte, die zu einer verhärteten Behandlung von Menschen führe. Berlin brauche keine überteuerten weiteren Abschiebungen, sondern „eine tatsächliche“ Umgestaltung des LEA zu einer Einwanderungsbehörde. Auch darauf verwies Barnickel: Die Zahl der freiwilligen Ausreisen übersteige die Zahl der Abschiebungen um das Zehnfache.

Martin Manzel, Fachanwalt für Migrationsrecht, kritisierte die Ausrichtung des Fünfpunkteplans. Viel zu oft würden die Falschen abgeschoben. „Die wirklich Kriminellen kriegen wir gar nicht so einfach weg.“ Im Gegenteil: „Die machen sich noch lustig über uns.“ Manzels Bitte: Eine Migrationspolitik, die das Potenzial der Ankommenden nutze und die Bevölkerung erreiche.

Besondere Verantwortung

Milan Raković, Geschäftsführer des Roma und Sinti Netzwerk, warnte davor, seine Landsleute pauschal als Kriminelle zu bezeichnen. Das sei diskriminierend. Deutschland habe eine besondere Verantwortung gegenüber den Sinti und Roma.

Emily Barnickel vom Flüchtlingsrat sitzt auch seit vielen Jahren in der Härtefallkommission. Die anerkannten Härtefälle seien unter dem Vorsitz von Innensenatorin Spranger wieder angestiegen, freute sie sich. Auf die wirtschaftliche Situation der Antragsteller werde aber zu viel Gewicht gelegt. Vulnerable Menschen und psychisch Kranke fielen hinten runter.

Ob der Fünfpunkteplan in der ursprünglichen Fassung umgesetzt werde, so Spranger, „werden wir sehen“. Und auch, ob es wie in den Vorjahren einen Winterabschiebestopp gebe, habe die Koalition noch nicht entschieden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare