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Berliner Landesamt für EinwanderungExperten klagen über das LEA

Die „Dysfunktionalität“ des Amts bereite Menschen „existenzielle Probleme“, sagen Ex­per­t*in­nen von Beratungsstellen. Amtschef weist Kritik zurück.

Beim Landesamt für Einwanderung gibt es nur online Termine – vielleicht Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Für viele Menschen in dieser Stadt ist das Landesamt für Einwanderung (LEA) die „wichtigste Behörde in ihrem Leben“. So beschrieb der Grünen-Abgeordnete Jian Omar am Montag im Innenausschuss die Bedeutung des Amts. Es entscheide, ob ein Nicht-EU-Ausländer hier arbeiten oder studieren darf, ob Familien zusammengeführt werden oder ausreisen müssen. Kurz: Das LEA sei verantwortlich für den internationalen Ruf Berlins.

Damit scheint es jedoch nicht weit her – zumindest wenn man den Ex­per­t*in­nen glaubt, die der Ausschuss am Montag anhörte. Ob Flüchtlingsrat, Schwulenberatung, Diakonisches Werk oder IHK – alle beklagten die großen Schwierigkeiten von Menschen, überhaupt Zugang zum LEA zu bekommen. Geschweige denn, dass ihre Anträge zeitnah und korrekt bearbeitet würden.

„Die Dysfunktionalität ist für viele eine existenzielle Bedrohung“, sagte Sina Stach vom Flüchtlingsrat. Sie griff damit eine Vokabel auf, die Behördenchef Eberhard Mazanke voriges Jahr selbst ins Spiel gebracht hatte, als er sein Amt als „am Rande der Dysfunktionalität“ beschrieb. In der Tat: Immer wieder verlieren Menschen ihren Job, ihre Sozialleistungen oder die Wohnung, weil das LEA teils über Monate ihre Aufenthaltspapiere nicht verlängert und sie nicht einmal einen Termin bekommen.

Auch Sascha Aleksjuk von der Schwulenberatung kennt solche Fälle. Er betonte: Ohne Beschäftigungserlaubnis „kann auch die geforderte Integrationsleistung nicht erbracht werden“. Fachkräfte verließen das Land wieder. Die Sorge treibt auch Julian Algner von der IHK um: „Derzeit fehlen 90.000 Fachkräfte in der Berliner Wirtschaft“, vor allem ausländische. Aber wenn Erlaubnisse fehlten, kämen Arbeits- und Ausbildungsverträge nicht zustande.

Unverständliche Software

Petra Schwaiger vom Diakonischen Werk betonte, wie sehr die Dyfunktionalität des LEA die Arbeit von Beratungsstellen und Sozialarbeitern in den Flüchtlingsheimen belaste. Die Schwierigkeiten bei Terminbuchungen bedeuteten für die Mitarbeitenden einen „hohen Arbeitsaufwand“, weil sie den Betreffenden helfen müssten. Die Software, die nur in Englisch und Deutsch funktioniert, sei für viele Menschen nicht verständlich und zu kompliziert.

Zudem beklagte Schwaiger, das andere Behörden wie Jobcenter und Sozialämter oft nicht Bescheid wüssten, dass schon der Versuch einen Termin zu buchen „Fiktionswirkung entfaltet“. Auf Deutsch: Weil die Terminvergabe schon länger nicht funktioniert oder einfach keine Termine zu haben sind, erhalten „Kunden“ des LEA eigentlich eine Bestätigungsemail, wenn sie versuchen einen Termin zu buchen.

Mit dieser Bestätigung erhalten sie ein PDF, dass ihren abgelaufenen Aufenthaltstitel schon mal „fiktiv“, also übergangsweise, verlängert. Dies funkioniere jedoch teilweise nicht oder die anderen Behörden akzeptierten diesen vorläufigen Bescheid nicht, so die Experten. Zudem, so erklärte Schwaiger, sei dies nicht-staatlichen Akteuren wie Arbeitgebern oder Vermietern auch gar nicht bekannt.

Eine der Empfehlungen der Ex­per­t*in­nen lautete daher: das LEA müsse „alle Player“ informieren, dass schon die Kontaktaufnahme mit dem LEA wie eine Aufenthaltsverlängerung wirkt. Gut wäre in ihren Augen auch eine Art „Notfallschalter“, wo kritische Fälle vor Ort beim LEA prioritär behandelt werden könnten. Und: Die Ombudsstelle für Beschwerden sollte wieder eingeführt werden.

Mazanke beeindruckte die Kritik kaum. Es gebe diese Probleme zwar, „aber das sind Ausnahmen. Das System funktioniert unterm Strich sehr gut.“ Er wie auch Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) verwiesen auf die 88 zusätzlichen Stellen beim LEA im neuen Haushalt (24/25), die allerdings noch nicht alle besetzt seien. Dazu kämen 20 befristete Beschäftigte, bei der Einbürgerungsabteilung 120 zusätzliche Stellen. Damit würden sich die langen Bearbeitungszeiten bald verringern, beschwichtigten sie.

„Ich bin die Ombudsstelle“

Zudem werde ab Ende Mai eine neue Terminvergabe-Software installiert, bis Ende 2025 würden alle Dienstleistungen komplett auf digitale Verfahren umgestellt. Dann sei auch ein Missbrauch nicht mehr möglich, wie er aktuell immer wieder beklagt wird, so Mazanke – dass nämlich findige Geschäftsleute online-Termine beim LEA blockieren und gegen Geld verkaufen. Mit dem neuen System müssten Kunden erst ihre Papiere hochladen, „danach vergeben wir den Termin“.

Die Verbesserungsvorschläge der Experten lehnte Mazanke ab, seine Behörde habe derzeit keine Zeit für Neuerungen. Priorität habe das Abarbeiten des Rückstaus – auch bei den Einbürgerungen, für die das LEA seit diesem Jahr zusätzlich zuständig ist. In diesem Bereich hat es 40.000 noch nicht bearbeitete Anträge von den früheren Einbürgerungsstellen der Bezirke „geerbt“, die teils Jahre alt sind. Zu erwarten ist, dass mit Verabschiedung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts durch die Ampel noch weit mehr Einbürgerungsanträge dazu kommen. Wie das LEA dies bewältigen will, blieb unklar.

Fast schon kurios war Mazankes Erwiderung auf die Forderung nach einer Wiederbelebung der Ombudsstelle. Deren Leiter, der frühere Justizsenator Wolfgang Wieland, war im Dezember verstorben – und die Beratungsstelle zum 1. Januar eingestellt worden. Grund dafür, so Mazanke im Ausschuss, sei die Überlastung der Behörde. Die zehn Mitarbeiter der Ombudsstelle würden bei der Einbürgerungsstelle dringend gebraucht. „Ich bin jetzt die Ombudsstelle“, erklärte er.

Dies stellte weder die Ex­per­t*in­nen noch die Opposition zufrieden. „Der Witz bei Ombudsstellen ist, dass sie unabhängig sind“, erwiderte Elif Eralp von der Linkspartei. Tatsächlich bleibt nach dieser Anhörung fraglich, ob ein Behördenleiter die beste Adresse ist, um Beschwerden über seine Behörde objektiv zu beurteilen.

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