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Berliner HochschulenSparen teils auf Kosten der Gebäude

Rund 250 Millionen Euro soll Berlin in der Wissenschaft einsparen. Die Vorgabe trifft die Universitäten in ihrer Substanz.

Ein Gespenst geht um in Berlin, das Gespenst der Sparpolitik Foto: Joerg Carstensen / dpa

Der Sparhammer des Senats hat die Berliner Hochschulen hart getroffen. An die 250 Millionen Euro sollen in diesem Jahr aus den Berliner Wissenschaftssektor herausgespart werden. Die Universitäten und Fachhochschulen werden mit 106 Millio­nen zur Kasse gebeten. Ein finanzieller Aderlass, mit dem niemand in dieser Größenordnung gerechnet hatte und der Ende des vergangenen Jahres massive Proteste auslöst hatte.

Die Kürzungen im Haushalt würden Forschung und Lehre an der Technischen Universität (TU) „schwer treffen und massiv einschränken“, erklärten die Gremien der Hochschule in einer gemeinsamen Protestresolution. „Sie bedrohen die Existenz unserer Universität und den Wissenschaftsstandort Berlin“, heißt es darin.

Alle Berliner Wissenschaftseinrichtungen versammelten sich unter dem Motto #SaveBrainCity zum entscheidenden Parlamentsbeschluss am 19. Dezember vor dem Berliner Abgeordnetenhaus. Ohne Erfolg. Die Einsparungen – insgesamt 3 Milliarden Euro bei einem Landesetat von jährlich 39 Milliarden Euro – wurden vom Parlament per Nachtragshaushalt abgesegnet.

Jetzt müssen vor allem die Hochschulen überlegen, wie sie mit der Sparschraube klarkommen. „Insgesamt reden wir von ungefähr 10 Prozent des Uni-Haushaltes, die wir einsparen müssen“, erklärte TU-Präsidentin Geraldine Rauch in einem Interview mit dem Wiarda-Wissenschaftsblog. „Daher bereiten wir jetzt Streichlisten von Professuren vor und schauen, welche Fachgebiete reduziert werden können, wo wir noch mehr Synergien mit den anderen Hochschulen schaffen“. An der Freien Universität (FU) stehen 2025 Einsparungen von rund 41 Millionen Euro im Raum, wie die Uni mitteilte. Diese Einsparungen würden „zu 50 Prozent mit erst mal für das Jahr 2025 geltenden kurzfristigen Maßnahmen und mit etwa 50 Prozent aus den Rücklagen finanziert werden“, wird in einer Mitteilung der FU präzisiert. Ob noch weitere Kürzungen auf die Uni zukommen, werde sich im Laufe des Jahres 2025 erst zeigen.

Hochschulen fühlten sich auf der sicheren Seite

Der Griff in die Rücklagen verringert auch die Baurücklagen der Universität: Was eigentlich für die Sanierung der Gebäude vorgesehen war, dient nun zur Notfinanzierung von Forschung und Lehre.

Dabei hatten sich gerade die Hochschulen in Berlin lange auf der sicheren Seite gefühlt. Gerade waren 2024 mit dem Senat die „Hochschulverträge“ mit einer Laufzeit bis 2028 abgeschlossen worden, die den acht beteiligten Einrichtungen, einschließlich des Klinikums Charite, einen jährlichen sogenannten „Mittelaufwuchs“ von 5 Prozent garantieren sollen. Dieser Vertrag wurde nun von Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra einseitig gekündigt.

In einer ersten Reaktion überlegten die Hochschulspitzen, mit einer Klage gegen den Senat vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. „Weder haben wir Hochschulleitungen die Zeit, erneut in intensive Hochschulvertragsverhandlungen einzusteigen, noch nehmen wir eine Kündigung der Verträge einfach so hin“, betonte TU-Präsidentin Rauch. Zumal die Verträge auch „keine Kündigungsklausel enthielten“.

Der Rechtswissenschaftler Thomas Schöck, der 26 Jahre als Kanzler der Uni Erlangen-Nürnberg tätig war, sieht dabei für die Hochschulen gewisse Chancen. Er halte es „für rechtlich schwer darstellbar“, einen vorbehaltlos geschlossenen Vertrag mit dem ausdrücklichen Ziel einer Planungssicherheit, „vor dem Ende seiner Laufzeit zu kündigen“, erklärte der Wissenschaftsmanager auf Anfrage des Tagesspiegel.

Erst mal keine Klage

Am vorigen Freitag berieten die Mitglieder der Landeskonferenz der Rek­to­r*in­nen und Prä­si­den­t*in­nen (LKRP) unter Vorsitz der Humboldt-Uni das weitere Vorgehen. Von schnellen juristischen Schritten war jetzt nicht mehr die Rede. Stattdessen soll zunächst ein Gespräch wahrgenommen werden, zu dem Wissenschaftssenatorin Czyborra für Ende Januar in ihre Senatsverwaltung eingeladen hat. Dort soll es vor allem um die „Feinverteilung“ der Spar-Auflagen gehen, denn noch steht nicht genau fest, wie viel jede Einrichtung „bluten“ muss. Aber auch der weitere Umgang mit den Hochschulverträgen wird auf der Agenda stehen.

Zu einem ersten „Pre-Test“ der Gesprächsbereitschaft in erhitzten Sparzeiten wird es inoffiziell bereits nächste Woche im Lichthof der TU kommen. Beim traditionellen Neujahrsempfang der Uni, dem ersten wichtigen Termin des Berliner Wissenschaftsjahres, kommen dort alle Akteure von „BrainCity“ zusammen: Politiker, Wissenschaftler und auch wirtschaftliche Kooperationspartner. Das Hauptthema des Meetings ist jedenfalls gesetzt: Sparen, bis es quietscht – wie es ein früherer Regierender Bürgermeister einmal formulierte.

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