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Berliner Gericht zu SchmerzgriffenSchmerzhaft für die Polizei

Das Berliner Verwaltungsgericht hat es der Polizei nun erstmals bescheinigt: Schmerzgriffe gegen einen Aktivisten der Letzten Generation waren rechtswidrig.

Alle milderen Mittel des Wegtragens ausgeschöpft? Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Für die Polizei ist es eine schmerzhafte Niederlage. Erstmals hat ein Berliner Gericht in einem konkreten Fall die Anwendung von Schmerzgriffen durch Polizisten als unzulässig eingestuft. Demnach war die Räumung eines Straßenblockierers der Letzten Generation im April 2023 mittels dieser Techniken rechtswidrig. Der Polizei habe das mildere Mittel des Wegtragens zur Verfügung gestanden, so der Vorsitzende Richter Peters in seiner Urteilsbegründung.

Zwar blieb eine grundsätzliche Klärung aus, ob das umstrittene Mittel, das Kri­ti­ke­r:in­nen als Folter bezeichnen, überhaupt zulässig ist. Dennoch könnte das Verwaltungsgerichtsurteil über den Einzelfall hinaus Wirkung entfalten. Das ist zumindest die Hoffnung des betroffenen Klägers und Aktivisten Lars Ritter und seines Anwalts Patrick Heinemann sowie von Bürgerrechtsorganisationen wie der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die die Klage unterstützte. Heinemann sagte der taz, das Urteil habe eine grundsätzliche Bedeutung und werde, so seine Hoffnung „die Praxis der Polizei ändern“. Es gebe viele vergleichbare Fälle.

Bei Schmerzgriffen handelt es sich um Nervendruck- oder Hebeltechniken. Sie werden eingesetzt, um Betroffene polizeilicher Maßnahmen zu Handlungen, etwa der Aufgabe von Blockaden, zu zwingen – zumindest mittelbar. Im englischen werden sie als „pain compliance“ bezeichnet – es geht also darum, durch Schmerzen Gehorsam durchzusetzen. Die Techniken, oftmals dem Kampfsport entlehnt, sind in den Polizeigesetzen der Länder nicht geregelt, aber in den vergangenen Jahren immer üblicher geworden – vor allem auch bei der Berliner Polizei, so Heinemann. Grundsätzliche Urteile zur Rechtmäßigkeit gibt es bislang keine.

Der damals 20-jährige Lars Ritter hatte sich am Morgen des 20. April 2023 an einem Protestmarsch von etwa 35 Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation auf der Straße des 17. Juni beteiligt, der dann in einer Sitzblockade mündete. Er gehörte zu den letzten noch nicht geräumten Blockierern. Videos des Vorfalls zeigen, wie ein Polizist Ritter nach Auflösung der Versammlung auffordert, die Fahrbahn zu verlassen und dabei droht, wenn er nicht freiwillig aufstehe, würde er tagelang nicht kauen und schlucken können.

Mildere Mittel hätten zur Verfügung gestanden

Schließlich wurde bei Ritter zunächst ein Griff am Kiefer angewendet, dann der rechte Arm nach hinten verdreht, ehe er letztlich mithilfe eines dritten Polizisten von der Straße getragen wurde. Ritter schrie vor Schmerzen; im Nachhinein klagte er über Muskelverspannungen in der Schulter.

Die entscheidende Frage, die der Richter verhandelte, war jene, ob der Polizei ein alternatives, milderes Mittel zur Verfügung gestanden habe. Aufgrund der gut dokumentierten Situation war dies recht deutlich: Die bereits Geräumten standen friedlich am Straßenrand, die Fahrbahn war durch mehrere Polizeifahrzeuge abgesperrt, in unmittelbarer Nähe der Räumung von Ritter standen drei augenscheinlich unbeschäftigte Polizisten. Auch habe sich Ritter nicht gewehrt, sondern die Maßnahmen passiv ertragen, wie der Richter feststellte. Ein Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde nicht gegen ihn eingeleitet.

Die Vertreter der Polizei argumentierten vor Gericht, die in der Nähe postierten Po­li­zis­t:in­nen hätten andere Aufgaben zu erfüllen gehabt. Das Wegtragen sei mit der Gefahr schwerer Verletzungen für die Polizisten verbunden. Den Richter überzeugte das nicht. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn der Blockierer ein „besonders hohes Körpergewicht“ hätte, was nicht der Fall sei. „Die Polizei hätte den unmittelbaren Zwang auf andere Weise vollziehen können“, so der Richter.

Zwar äußerte Peters in seinem Urteilsspruch „im Grundsatz keinen Zweifel“, dass Schmerzgriffe generell zulässig sein können, aber das wurde in diesem Prozess nicht grundsätzlich geklärt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechts hatte im Vorfeld mitgeteilt: „Der Einsatz von körperlicher Gewalt und Schmerzen gehört zu den massivsten denkbaren Grundrechtseingriffen, die nur in absoluten Ausnahmesituationen zulässig sein können – nicht im Rahmen von friedlichem Protest.“ Schmerzgriffe könnten als „erniedrigende und unmenschliche Behandlung auch das menschenrechtliche Folterverbot verletzen“.

Womöglich wird sich schon bald ein Gericht mit dieser Grundsatzfrage beschäftigen. Laut Anwälten des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins gibt es vergleichbare Fälle, in denen die Unverhältnismäßigkeit weniger offensichtlich sei. Ein Gericht müsse dann also klären, ob Schmerzgriffe generell zulässig seien oder nicht.

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4 Kommentare

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  • Und wie immer darf der Deutsche Staat Gesetze brechen,und dann exemplarisch ein paar Leute in den Ruhestand versetzen. Zweiklassensystem, Beamtentum und halt naja Bürger..... Deutsche Vereinskultur die immer nur die eigenen Interessen verteidigt und niemals die andere Seite zu Wort kommen lässt. Übrigens die Hartz Sanktionen waren auch nicht rechtskonform ich hätte gerne alle Prozente wieder, könn wir ja alle gemeinsam machen. Schön wie ein paar junge und alte Parzifisten, den Sardisten in unserer Gesellschaft den Spiegel vorgehalten haben. Wo ist die unabhängige Stelle, die gegen die Straftaten der Polizei vorgeht? Andere Länder sind da viel weiter, als das autoritäts 🚓🚓🚓 gestörte Deutschland.

  • Ja wie? Sie lernens halt nie - obwohl ihr Eingriffsschema ausdrücklich die Frage der Verhältnismäßigkeit (= ggfs milderes Mittel)



    Ausdrücklich vorsieht!

    POLIZEILICHES PRÜFSCHEMA - VERZ - 🙀🥳 -

    VERHÄLTNISSMÄSSIGKEIT



    ERFORDERLICHKEIT



    RECHTMÄSSIGKEIT



    ZWECKMÄSSIGKEIT



    www.berlin.de/geri...eilung.1542967.php

  • Und?



    Hat das irgendwelche Auswirkungen oder ist das jetzt eine Aussage wie "Nachts ist es dunkel" oder Die Sonne ist größer als die Erde" ?