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Berliner ForschungsgipfelInnovationspolitisches Flachland

Hochkarätig angesetzt war das Spitzentreffen der Forschungsmacher. Doch mehr als Durchhalteparolen war nicht zu vernehmen.

Wenn die Akzeptanz fehlt, wird es schwierig, neue Technologien durchzusetzen. Bild: dpa

BERLIN taz | Mut zum Risiko! Innovationen können auch scheitern! Auf dem „Forschungsgipfel“ vergangenen Mittwoch in Berlin waren derlei Durchhalteparolen wohlfeil. Was die Veranstalter – der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die Deutsche Nationalakademie der Wissenschaften Leopoldina – nicht ahnten: Auch ihr Event würde die Option des Scheiterns live vor Augen führen.

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre forschungspolitische Grundsatzrede eine Viertelstunde vorher abgesagt hatte, erodierte der groß beworbene Forschungsgipfel zur innovationspolitischen Flachland-Debatte.

Dabei war nach dem Motto „Think Big“ alles aufgefahren worden, was in der deutschen Wissenschaftspolitik Rang und Namen hat: die Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz- und Leibniz-Forschungsgemeinschaft, Hochschulrektoren, Wissenschaftsrat und Technik-Akademie, sowie drei amtierende Wissenschaftsministerinnen aus Bund und Ländern.

Unter Beteiligung der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) sollte die Roadmap für die „Entwicklung des Innovationsstandorts Deutschland“ diskutiert und nach Möglichkeit auch Pflöcke eingeschlagen werden.

Ein Ziel von EFI-Chef Dietmar Harhoff: die deutsche Politik zu einer neuen, ehrgeizigeren F&E-Quote zu verpflichten. Der Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt soll von derzeit 3 auf 3,5 Prozent in den nächsten Jahren steigen, um so die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu pushen.

Big Player in der Forschungslandschaft

Dringend nötig! – meldete sich als gewichtiger Wirtschaftssprecher Volkswagen-Lenker Martin Winterkorn zu Wort. „Das innovative Deutschland braucht mehr Risikobereitschaft und Tempo“, postulierte der Konzernchef, dessen Autokonzern jährlich 11,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgibt, soviel wie kein anderes Unternehmen.

Am Beispiel der Elektromobilität und dem Niedergang der universitären Elektrochemie und Batterieforschung legte Winterkorn dar, wie sehr die Industrie auf ein funktionierendes Hinterland der Grundlagenforschung angewiesen ist. Jetzt muss VW in seine Elektroautos Batterien aus Korea und USA einbauen. Wertschöpfung verlässt den Standort Deutschland.

Der konkrete Vorschlag des Industriemannes zielte auf das Geld des Steuerzahlers: Aus den Steuermehreinnahmen von 38 Milliarden Euro bis 2019 sollte teilweise eine „kraftvolle Innovations-Offensive“ finanziert werden. Ein Investment „in die digitale Bildung der jungen Menschen, in die Batterietechnologie, in Big Data und künstliche Intelligenz“. Winterkorns Botschaft: „Besser kann man dieses Geld nicht anlegen“.

Baustellen im Paradies

Kein Politiker fing den Ball auf. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka schilderte beredt, wie schwierig es ist, nach dem Kraftakt der Grundgesetzänderung über die Neuaufteilung der Bund-Länder-Kompetenzen in der Wissenschaft, zum nächsten Schritt im Bildungsföderalismus zu kommen: die Verwendung der 1,17 Milliarden Euro, die die Bundesländer gewonnen haben, weil der Bund künftig die Bafög-Kosten komplett übernimmt. Nicht überall ist sicher, dass dieses Geld auch in die Landes-Unis fließt. Wanka: „Deutschland ist ein Wissenschaftsparadies mit Baustellen“.

Während sich Kanzlerin Merkel im Anschluss an die Kabinettssitzung im Gespräch mit Energieminister Gabriel über Kohleabgabe und Klimapolitik so sehr verhakt hatte, dass sie den Forschungstermin platzen ließ, gab ersatzweise Kanzleramts-Staatsminister Helge Braun nur einen schwachen Aufguss regierungsamtlicher Leitlinien.

Wichtigste Aussage: Bei der Nachfolge der wettbewerbsgetriebenen Exzellenzinitiative ab 2017 müsse künftig ein „angemessenes Verhältnis von Spitze und Breite“ gewahrt bleiben. Kein Votum, die deutsche Wissenschaft vorrangig auf Wirtschaftsnutzen und Weltmarktführerschaft auszurichten.

Mehr soziale Innovationen

Größtes Manko des voraussichtlich einmaligen Forschungsgipfels: der zu enge Fokus auf technisch nutzwertige Innovationen. Um zu einer breiten, gesellschaftlich verankerten „Innovationskultur“ in Deutschland zu kommen, müssten von den Forschungsorganisationen auch viel stärker „soziale Innovationen“ gefördert werden, war das Petitum von Uwe Schneidewind vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie.

Dem pflichtete sogar Ministerin Wanka bei: „Bei der Energieforschung machen wir das mit sozial-ökologischen Begleitprojekten bereits.“ Wohl eher zu wenig, wandte Reinhard Hüttl ein, der Präsident der Akademie für Technikwissenschaften Acatech. Die „gesellschaftlichen Randbedingungen“ würden für die Forschung immer wichtiger.

An Beispielen aus seinem Feld der Geoforschung – CO2-Speicherung CCS, Fracking, Geo-Engineering – verdeutlichte Hüttl, wie Forschung gegen die Wand fährt, wenn die Gesellschaft nicht mitgenommen wird. „Wenn wir den soziokulturellen Rahmen für Innovationen“, so der Acatech-Chef, „nicht ernst nehmen, dann schneiden wir uns langfristig ins eigene Fleisch“.

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