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Berliner Expo-BewerbungBraucht das die Welt?

Der Senat fremdelt mit einer Bewerbung Berlins für die Weltausstellung Expo im Jahr 2035. Aber was hat es mit dieser Idee überhaupt auf sich?

Irgendwie weird: Osakas Expo-Maskottchen Myaku-Myaku. Für Hannover 2000 warb übrigens ein unförmiges Männchen namens „Twipsy“ Foto: kyodo news/imago

Als der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innen- bzw. Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) sich am vergangenen Freitag für eine Berliner Olympiabewerbung stark machten, wurden sie auch nach einer Bewerbung für die Ausrichtung der Weltausstellung Expo im Jahr 2035 gefragt. „Klare Frage, klare Antwort“, sagte Spranger, „Olympische und Paralympische Spiele, ja. Expo, nein.“ Wegner äußerte sich ähnlich, auch wenn aufmerksame Beobachter registrierten, dass er das Wort „Expo“ nicht in den Mund nahm. Vielen anderen war dagegen nicht einmal bewusst, dass sich Berlin überhaupt für eine Expo bewerben will oder soll. Darum hier ein paar weitere klare Fragen und Antworten:

Was genau ist noch mal eine Expo?

Das Konzept der Weltausstellung stammt aus dem 19. Jahrhundert, seit 1928 werden die Austragungsorte vom Bureau International des Expositions (BIE), einer zwischenstaatlichen Organisation mit Sitz in Paris, als vergeben. Dort glaubt man, dass die „nicht-kommerziellen“ Großevents dazu beitragen, „Lösungen für die grundlegenden Herausforderungen der Menschheit zu finden“, „Staaten und internationale Organisationen zusammenzubringen“ sowie „in den gastgebenden Städten neue Dynamiken zu schaffen und Veränderung zu befördern“.

Wo fand die letzte Expo statt?

Die Expo 2025 endete vergangenen Oktober im japanischen Osaka. Wahrzeichen war der „Grand Ring“ – eine riesige hölzerne Struktur mit begrüntem „Skywalk“ auf dem Dach – im Hafen der Millionenstadt. Nach schwächelndem Vorverkauf hatten die BesucherInnenzahlen am Ende angezogen, laut Japan Times rechnet man mit einem Profit bis zu 150 Millionen Euro. Der Grand Ring soll abgebaut und recycelt werden, auf dem Gelände soll ein Tourismusareal, vielleicht aber auch eine Formel-1-Rennstrecke entstehen.

Gab es das auch schon bei uns?

Die erste und bislang einzige deutsche Expo fand im Jahr 2000 in Hannover statt. Die Ausrichtung war im Vorfeld in der linken Szene höchst umstritten, man sah das Event als kostspielige Selbstinszenierung kapitalistischer Unternehmen mit Nachhaltigkeits-Feigenblatt. Auch die niedersächsischen Grünen, die damals im Land mitregierten, mochten sich damit nicht anfreunden, beugten sich aber dem knappen Votum einer Bürgerbefragung. Als die Expo stattfand, regierten sie allerdings auch im Bund mit und konnten nicht mehr allzu miesepetrig auftreten. Der niedersächsische Landesverband habe seine Mitglieder dann angewiesen, „die Expo kritisch zu begleiten“, schrieb die taz seinerzeit. Eine Expo-Version der Hannoveraner „Chaos-Tage“ durch die Punk-Szene blieb in den Anfängen stecken.

Hat sich die Expo für Hannover gelohnt?

So richtig zünden wollte die Weltausstellung an der Leine nicht, die Veranstaltung endete mit einem Defizit von rund 1 Milliarde DM (was damals 500 Millionen Euro entsprach). BefürworterInnen verwiesen auf angebliche Steuermehreinnahmen in fast dreifacher Höhe. Die Stadt behielt den „Expo Park Hannover“, einen IT- und Medienstandort, auf dem bis zu ihrem Ende 2018 auch die Computermesse CeBIT stattfand, und viele schöne Erinnerungen wie an den Skandal, den Preußenprinz Ernst August heraufbeschwor, als er an den türkischen Expo-Pavillon urinierte.

Wer treibt denn eine Berliner Bewerbung voran?

Dahinter stehen der Verein Global Goals für Berlin e.V. und die Expo 2035 Berlin GmbH – private Initiativen, hinter denen sich auch viel privatwirtschaftliches Interesse verbergen dürfte. Wobei die Ziele der InitiatorInnen großartig klingen: In Vorbereitung auf das Welt-Event soll Berlin schon in den kommenden 10 Jahren klimaneutral werden und nebenbei die 17 Global Goals der Vereinten Nationen lokal erfüllen, zu denen etwa die Beseitigung jeglicher Armut gehört.

Was soll das kosten – und was bringen?

Die Umsetzung wäre laut der Expo-GmbH kostendeckend: je 2,1 Milliarden Euro Einnahmen und Ausgaben, heißt es auf ihrer Website. Hinzu kämen weitere Effekte: Mehr als 3 Milliarden an Infrastrukturmitteln für den Ausbau des ÖPNV, 22 Milliarden zusätzliches BIP-Wachstum (für Deutschland, nicht Berlin), ein „hohes internationales Interesse in den kommenden neun Jahren“ und vielleicht sogar eine „Sonderwirtschaftszone“. Wie gesagt, laut Expo-GmbH.

Und wo soll es sich materialisieren?

Den InitiatorInnen schwebt ein Ausstellungs-Hauptgelände von bis zu 150 Hektar Fläche vor, zum Beispiel auf dem ehemaligen Flughafen Tegel oder gleich neben dem BER in Schönefeld (womit es keine rein Berliner Angelegenheit mehr wäre). Hinzu kämen „weitere Orte und Projekte“ in der ganzen Stadt. Ein vorläufiges Motto hat die Expo Berlin übrigens auch schon: „Made by Alle. Made for Uns.“

Wie steht die Wirtschaft dazu?

Die Berliner Wirtschaftsverbände sind beim Thema Expo gespalten: Während die Industrie- und Handelskammer (IHK) die Bewerbung unterstützt, kann sich der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) eher nicht dafür erwärmen. IHK-Präsident Sebastian Stietzel sagte in Richtung Senat, „aus Sicht der Berliner Wirtschaft“ sei „die de-facto-Absage für eine Expo 2035 in Berlin nicht nachvollziehbar“. VBKI-Präsident Markus Voigt dagegen bekräftigte laut Tagesspiegel die Präferenz seines Verbands für Olympia. Funfact: Seine Organisation wurde anno dazumal gegründet, um 1896 die Berliner Gewerbeausstellung auszurichten, auch eine – freilich vom BIE nicht anerkannte – Weltausstellung.

Wie finden Berlins Nachhaltigkeits- und Klimaschutzakteure die Ziele der Expo 2035?

Bis jetzt noch gar nicht so richtig. Offizielle Äußerungen fehlen, der BUND gibt auf Nachfrage an, bislang keine Position entwickelt zu haben.

Und was sagt Heinrich Strößenreuther?

Der Initiator des Berliner Baumentscheids gehörte 2022 zu den ersten Mitgliedern von Global Goals für Berlin e.V. Am Montag unterstützte er in einem Beitrag auf LinkedIn weiterhin die Idee einer Expo-Bewerbung. Ein solches Megaevent sei „super“, weil es „Energie, Aufmerksamkeit und internationale Strahlkraft erzeugen“ könne. Aber: „Einweg-Betonburgen“ hochzuziehen, während gleichzeitig die Infrastruktur der Stadt zerbrösele und Bäume verdursteten, das gehe auch nicht. Deshalb dürfe das Event selbst nicht von den SteuerzahlerInnen finanziert werden, und es dürfe auch „kein weiterer Quadratmeter Bodenversiegelung“ entstehen. Strößenreuther hat jetzt schon einmal ein „Megaevent-Begrenzungs- und Bodenfreihaltungsgesetz (MBBG)“ entworfen.

Wie geht es jetzt weiter?

„Berlin steht kurz vor einem entscheidenden Schritt: Bis zum 16. Dezember soll der Beschluss des Berliner Senats zur Einreichung der deutschen Bewerbung für die EXPO 2035 verabschiedet sein“, heißt es auf der Website der Expo-Gesellschaft. Dass das geschieht, ist nach aktuellem Stand nicht einmal mehr Wunschdenken. Dem Hörensagen nach kann man bei der GmbH aber noch ein wenig warten. Eng wird es Anfang kommenden Jahres, denn im Mai müsste die Bundesregierung einen „Letter of Intent“ an das BIE schicken und die Bewerbung Berlins staatlicherseits unterstützen. Schlechtes Timing: Die Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) über die deutsche Olympiabewerbung könnte erst im September fallen. Dann wäre es leider schon zu spät für den Brief nach Paris.

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