Berliner Diskriminierungsfall: Gewobag muss Entschädigung zahlen
Ein Mieter im Rollstuhl wurde vom landeseigenen Wohnungsunternehmen diskriminiert. Das Landgericht hat ein womöglich wegweisendes Urteil gesprochen.
Das Landgericht hat nun zu diesem Thema ein womöglich wegweisendes Urteil gesprochen. Ein großer Vermieter muss einem seiner Mieter 11.000 Euro Entschädigung zahlen, weil er ihn über mehr als zwei Jahre diskriminiert hat. Der Mieter, Nicola Arsic, sitzt im Rollstuhl. 2020 war er in die Wohnung seines Ehepartners im 10. Stock eines Kreuzberger 70er-Jahre-Baus gezogen. Das Haus hat einen Aufzug, doch den Eingang mit sechs Treppenstufen konnte Arsic nur mit fremder Hilfe bewältigen.
Laut Bürgerlichem Gesetzbuch sieht die Sache so aus: Vermieter müssen den barrierefreien Umbau von Wohnungen erlauben (Paragraf 554). Das heißt: Bezahlen müssen solche Umbauten die Mieter. Arsic und sein Mann Dennis Kuhlow schlugen der Gewobag vor, eine Rampe zu bauen, und besorgten das Geld. Der Bezirk stimmte zu, den Löwenanteil der Kosten von rund 30.000 Euro zu übernehmen.
Doch der Vermieter – übrigens kein privater Halsabschneider, sondern die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag – wollte nicht. Mit teils absurden Argumenten wehrte sich das Unternehmen, das in Berlin 74.000 Wohnungen besitzt und damit wirbt, die „ganze Vielfalt Berlins“ zu repräsentieren, gegen den Bau der Rampe. Am Ende verlor die Gewobag in zwei Instanzen, das Landgericht ordnete Ende 2022 an, die Genehmigung sei zu erteilen. Seit gut einem Jahr ist die Rampe fertig. Und wird laut Kuhlow auch von anderen Bewohnern des Hauses gerne benutzt. Vor allem eine gebrechliche ältere Dame aus dem 6. Stock „kann jetzt auch endlich wieder aus dem Haus“.
„Unmittelbare Benachteiligung“
Der ganze Prozess sei allerdings so unangenehm gewesen und die Gegenseite so uneinsichtig, „dass wir klarstellen wollten, dass man so nicht mit einem berechtigten Anliegen umgehen kann“, sagt Kuhlow. Sein Mann klagte also auf Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – und bekam Ende September in zweiter Instanz recht, wie erst jetzt bekannt wurde.
Die Beklagte habe durch Unterlassung, also Nicht-Genehmigung der Rampe, eine „unmittelbare Benachteiligung“ des Klägers verursacht, heißt es im schriftlichen Urteil, das der taz vorliegt. Der Kläger habe einen „gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur baulichen Veränderung der Mietsache“ – dem habe sich die Beklagte über zwei Jahre verweigert, und dies „ohne jede substantiierte Darlegung“, so das Gericht.
Die laut Urteil „hartnäckige Verweigerungshaltung“ hat auch die recht hohe Entschädigungssumme von 11.000 Euro begründet, die Kläger selbst hatten 5.000 Euro gefordert. Die Folgen der Diskriminierung seien zudem für den Kläger „gravierend“ gewesen, so die Richter. Weil er allein sein Haus weder betreten noch verlassen konnte, war er über einen längeren Zeitraum „in seiner Bewegungs- und Handlungsfreiheit stark eingeschränkt“. Schließlich berücksichtigte das Gericht bei der Entscheidung über die Höhe der Entschädigung auch die Tatsache, dass die Gewobag ihrem Mieter „ersichtlich keinerlei Form der Wiedergutmachung – und sei es auch nur in Form eines Ausdrucks des Bedauerns – geleistet hat“.
Daran hat sich bis dato nichts geändert. Das Geld hätten sie zwar bekommen, so Kuhlow, doch ansonsten herrsche Funkstille. „Eine Entschuldigung der Hausverwaltung wäre eigentlich überfällig“, findet er.
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