Berliner Clubs in der Krise: Schwuz meldet Insolvenz an
Mit dem Schwuz in Neukölln steckt Deutschlands ältester queerer Club in existenzbedrohlichen Nöten. Zunächst soll aber noch weitergefeiert werden.
Inflation, gestiegene Betriebskosten, dazu ein geändertes Ausgehverhalten: Wie viele Berliner Clubs steckt auch das Schwuz seit Langem in einer tiefen Krise. Wie tief, sei dem Club in der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln aber erst im Mai dieses Jahres bewusst geworden, zitiert der RBB aus einer Mail der Geschäftsführung. Demnach hätten am Ende des Monats regelmäßig 30.000 bis 60.000 Euro gefehlt.
Im Mai folgte dann auch die angesprochene „schmerzhafte Trennung von Mitarbeitenden“. Insgesamt feuerte das Schwuz über 30 Mitarbeiter:innen, rund ein Drittel seiner Belegschaft. Zugleich kündigte die Geschäftsführung damals an, den Clubbetrieb unter der Woche zu reduzieren. Bestimmte Shows wie Drag-Performances sollten nur noch „gezielt“, also seltener stattfinden. „Wir haben einen klaren Finanzplan, einen klaren Personalplan, einen ausgearbeiteten Investitionsplan, einen klaren Marketingplan“, hieß es noch im Mai.
Eigentlich sollte auch eine parallel gestartete Spendenkampagne dem Club etwas Luft verschaffen. Doch der Aufruf verpuffte. Das Ziel – 150.000 Euro für „besondere Investitionen“ – wurde nicht einmal ansatzweise erreicht. Insgesamt kamen lediglich 3.220 Euro zusammen. Inzwischen steht auf der entsprechenden Crowdfunding-Plattform: „Dieses Projekt kann keine Spenden mehr empfangen.“
Appell an die queere Community
Nun folgt der nächste, weitaus niedrigschwelligere Appell an die queere Community, wenigstens für ein volles Haus und bessere Umsätze zu sorgen: „Zeig, dass das Schwuz gebraucht wird. Komm vorbei. Tanz. Feiere“, heißt es in einem Post auf Instagram. Es sei noch nicht zu spät, das Insolvenzverfahren noch nicht das Ende der Party. Man habe Insolvenz angemeldet, „nicht weil wir bereits jetzt zahlungsunfähig sind, sondern weil wir es bald wären und wir nun die Reißleine ziehen müssen“.
Wie der RBB berichtet, soll der Clubbetrieb bis zur voraussichtlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Oktober erst einmal weitergehen – ohne weitere Kündigungen und ohne Gehaltskürzungen. Danach könnte ein externer Insolvenzberater freilich dafür sorgen, dass es Eingemachte geht. Das Verfahren werde, so die Ankündigung der Geschäftsführung, „weitere große und potenziell einschneidende Maßnahmen erfordern“.
Das 1977 gegründete Schwuz ist der älteste und einer der größten queeren Clubs in Deutschland. Anders als die Westberliner LGBTIQ*-Institution, die jetzt zwar strauchelt, aber vorerst noch weitermachen kann, ist mit der Busche ein anderer, einst von Gästen überrannter Treffpunkt von Schwulen und Lesben im Osten Berlins schon Geschichte. Nach 40 Jahren Tanzbetrieb machte die Diskothek am U-Bahnhof Warschauer Straße am vergangenen Wochenende mit einer letzten Party dicht.
Opposition sieht Senat in der Pflicht
Angesichts der generell bedrohlichen Lage für die alternative Berliner Clublandschaft fordert unterdessen die Opposition, dass die schwarz-rote Landesregierung die Kulturorte nicht weiter im Regen stehen lässt. Der Senat dürfe nicht länger ignorieren, dass viele Clubs um ihr Überleben kämpfen, sagte am Freitag der Grünen-Abgeordnete Julian Schwarze.
„Es ist höchste Zeit für ein koordiniertes Vorgehen, um zusammen mit den Clubs nach Lösungen zu suchen und sie gerade jetzt zu unterstützen. Sonst ist die einzigartige Clubkultur Berlins in ernsthafter Gefahr und wir riskieren den Verlust vielfältiger Orte und Angebote“, so Schwarze, der clubpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion.
Auch der queerpolitische Sprecher der Linksfraktion und ehemalige Kultursenator Klaus Lederer sieht Schwarz-Rot in der Verantwortung. Nach der „Hiobsbotschaft“ aus dem Schwuz fragte er: „Was muss eigentlich noch passieren, bis Senat und Koalition endlich begreifen, dass Berlins queere Subkultur in ernster Gefahr ist?“
Verdrängung, Schließung, wirtschaftliche Not: „Das verändert das Antlitz der vom Senat immer wieder beschworenen ‚Regenbogenhauptstadt‘ und ihrer queeren sozialen Räume – schleichend, aber sehr nachhaltig und mit unwiederbringlichen Folgen“, warnte Lederer.
Umso unverantwortlicher sei es, dass der Senat konkrete Schutzmaßnahmen ablehne. Eine schlüssige Strategie zum Erhalt der queeren Infrastruktur sei jedenfalls nicht mal ansatzweise zu erkennen. „Momentan scheint mir: Erst wenn der letzte Club verschwunden, der letzte Raum queeren Alltagslebens verdrängt ist, werden sie merken, dass ‚Regenbogenhauptstadt‘ mehr ist, als Pride-Flaggen zu hissen und Regenbogenkuchen zu essen. Aber dann ist es zu spät“, so Lederer.
Update: 1.8.2025, 14.20 Uhr
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