Berliner Buchbranche: Beherztes Investment für Literatur

Der fünfte Berliner Verlagspreis geht am Sonntag an den Avant-Verlag für Comics. Es ist auch ein Preis für verlegerischen Mut in der Krise.

Zu welchem Buch greift man bloß als nächstes? Vielleicht zu einem preisgekrönten… Foto: picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

BERLIN taz | Fotos von Menschen die in der U-Bahn sitzen, vom Himmel über der Stadt, mal blau, mal grau. Dazwischen ebenfalls immer wieder: eine große und eine kleine Tasse Kaffee und die Worte „Morgenkaffee“ und: „Wir leben noch“. Das Tagebuch, das der ukrainische bildende Künstler Tiberiy Szilvashi vom Kriegsausbruch am 24. Februar bis zum 7. April geschrieben und fotografiert hat, ist soeben unter dem Titel „Der Himmel über Kyiv“ im Berliner Verlag Ciconia Ciconia erschienen – und anhand dieses kleinen Bands lässt sich sehr gut verstehen, warum es so wichtig ist, dass es den Berliner Verlagspreis gibt.

Denn beim fünften Berliner Verlagspreis, den die Senatsverwaltungen für Kultur und Wirtschaft am Sonntag im Deutschen Theater verliehen haben, geht es nicht nur um wirtschaftlichen Erfolg, jedenfalls nicht um jenen der einzelnen Verlage, hinter denen oft ziemliche Selbst­aus­beu­te­r*in­nen stecken. Das Kriegstagebuch von Tiberiy Szilbashi ist in einer Auflage von nur 500 Stück erschienen.

Auch beim Elfenbein Verlag, der ebenfalls 15.000 Euro erhält, und beim Avant-Verlag für Comics und Graphic Novels, der den mit 35.000 dotierten Hauptpreis bekommt, geht es viel um große Risiken und verlegerischen Mut, um verkaufte Autos als Startkapital, um überhaupt einen Verlag gründen zu können – also ums beherzte Investment in ein lang belächeltes Genre, an das lange Zeit viele nicht richtig glaubten.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) stellen es in ihren Laudationen ganz schön dar. Lederer schneidet kurz an, wie schwer es für die gesamte Branche in der Pandemie war, als es „weder Messen und Lesungen“ gab – und wie es für sie mitten im Winter „der steigenden Papier- und Energiepreise“ weiter eng bleiben wird. Insgesamt aber generiere die kleinteilige Berliner Verlagsszene immerhin um „8.400 Jobs und einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden“, so Schwarz.

Hauptstadt der Bücher

Er hat recht: Berlin ist nicht nur wegen der Anzahl der Verlage die Hauptstadt der Bücher, sie hat auch die vielfältigste Verlagsszene Deutschlands, die in den aktuellen Diskursen zahlreichen relevanten Stimmen Podien verleiht.

Das wird deutlich bei den Preisträger*innen, aber auch bei den anderen Nominierten, die leer ausgingen, sich aber vor der Preisverleihung kurz vorstellen dürfen. Da ist zum Beispiel der eta Verlag, wo es um Übersetzungen aus Nischensprachen wie dem Bulgarischen, dem Serbischen oder dem Montenegrinischen geht.

Und da ist auch der Verlag Assoziation A, dessen Wurzeln laut Verleger Rainer Wendling in die siebziger Jahre zurückreichen: Das tolle Programm ist bis heute nah dran an den sozialen Bewegungen. Erst im Frühjahr ist mit „Bitte Leben“ ein 480-seitiger Bildband erschienen, in dem bunte Hausfassaden nicht wie so oft als Stadtmarketing verkauft werden, sondern der einen tiefen Einblick ins Netzwerk „Reclaim Your City“ ermöglicht. Beim Berliner Verlagspreis sind in den vergangenen Jahren übrigens oft Verlage leer ausgegangen, die im Folgejahr einen Preis gewonnen haben.

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