Berliner Abgeordnetenhaus: Mit Bedächtigkeit an die Spitze
Der Haushaltsexperte Florian Graf hat es ohne großes Tamtam zum Fraktionschef der Berliner CDU gebracht.
Den neuen CDU-Fraktionschef könnte man sich auch als den Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer vorstellen, aus Zeiten, als die Versicherung noch mit Verlässlichkeit warb und nicht mit Sexpartys Schlagzeilen machte. Glattes Gesicht, fast pausbäckig, freundliches Lächeln, kurzes Haar. Florian Graf ist im Abgeordnetenhaus ein Inbegriff von Ruhe und Verbindlichkeit - genau das, was eine Regierungspartei von ihrer Parlamentsfraktion erwartet.
Nur eine Gegenstimme und eine Enthaltung gab es, als die CDU-Fraktion Graf am Donnerstagmorgen zu ihrem neuen Vorsitzenden wählte. Sein Vorgänger Frank Henkel wurde kurz darauf im Abgeordnetenhaus als neuer Innensenator vereidigt.
Grafs Erscheinungsbild und sein bedächtiges Auftreten im Parlament zeigen aber nur einen Teil seiner Persönlichkeit und lassen einen anderen in den Hintergrund treten: seine Zielstrebigkeit. Denn der 38-Jährige hat in den vergangenen fünf Jahren eine Karriere auf der Überholspur hingelegt.
Mitte 2006 hatte Graf noch nicht mal einen Parlamentssitz. Dafür war er schon im fünften Jahr Büroleiter der CDU-Fraktionschef, erst bei Frank Steffel, später bei Nicolas Zimmer. Dann aber wurde er Abgeordneter, löste Zimmer als Chef seines CDU-Kreisverbands ab, wurde haushaltspolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer. Und nebenher schloss er 2010, lange nach dem Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt, eine Doktorarbeit ab und wurde Vater - wobei bei Letzterem die Leistung eher bei seiner Frau lag.
"Ganz ohne innere Härte ist der nicht, sonst hätte der seinen Weg so nicht machen können", sagt der grüne Finanzexperte Jochen Esser. Graf sei haushaltspolitisch um Seriosität bemüht, sagt er, "und hat es damit im eigenen Laden nicht immer einfach." Auch andere von der politischen Konkurrenz kommen gut mit ihm aus. Das war kurz nach seiner Wahl gut erkennbar, als in der Parlamentssitzung Uwe Doering, parlamentarische Geschäftsführer der Linkspartei, auf Graf zukam, ein paar Worte mit ihm wechselte und ihm lächelnd die Hand schüttelte.
Mit Grafs Wortwahl und Tonlage ist es auch schwer, den politischen Gegner zu verletzen. "Das ist nicht sein Stil", sagt der Grüne Esser. Wo andere "Skandal!" schreien, verwendet Graf Begriffe wie "befremdlich".
Mit ihm als Fraktionschef kann Vorgänger Henkel in sein Senatorenbüro umziehen mit der Gewissheit, dass da einer den Laden in seinem Sinne zusammenhalten wird - ohne den zehn Jahre Jüngeren je zu unterschätzen. Denn wenig deutet darauf hin, dass Graf seinen Aufstieg nun für beendet ansehen sollte.
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