Berlinale mit Tilda Swinton: Glamour, Wärme und Witz
Tilda Swinton wird Jury-Präsidentin der Berlinale 2009. Für ihre eigene Arbeit als Schauspielerin erhielt die Schottin zuletzt den Oscar als beste Nebendarstellerin in "Michael Clayton".
Vor ein paar Tagen noch stand sie auf der Bühne des Berliner Arsenal-Kinos, im schwarzen, schmal geschnittenen Jackett, darunter eine Bluse mit Schillerkragen, an den Füßen hohe Stiefel mit auffälligem Keilabsatz. Die rotblonden Haare trug sie als Bob, die rotblonden Augenbrauen wie feine Farbtupfer auf der Stirn. Das Arsenal feierte seinen Relaunch, und Tilda Swinton war als Ehrengast geladen. Mit einer schwärmerischen Rede dankte sies. Sie lobte den Mut und die Offenheit dieser Berliner Kinoinstitution; ihre Sätze hatten Pathos und Glamour, Wärme und Witz. In keinem Augenblick geriet sie ins Stocken, kein Lapsus kam über ihre Lippen. Aufs Performen versteht sich Tilda Swinton perfekt.
Es ist eine gute Nachricht, dass die Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin im Februar 2009 die Jury der Berlinale leiten wird, nicht zuletzt weil Swinton ein Faible für Berlin hat. Seit Mitte der 80er-Jahre besucht sie die Stadt regelmäßig. Sie begleitete Derek Jarman, als der schwule, im England jener Jahre nicht eben wohlgelittene Regisseur 1986 seinen Film "Caravaggio" bei der Berlinale vorstellte. Es war ihr Leinwanddebüt. An allen seither entstandenen Filmen Jarmans hat Swinton mitgewirkt, für "Blue" sprach sie aus dem Off, in "Edward II" spielte sie Königin Isabella und erhielt dafür bei der Filmbiennale von Venedig die Auszeichnung als beste Schauspielerin. Für "Derek" (2008), einen Porträtfilm über den 1994 an den Folgen von Aids gestorbenen Jarman, schrieb sie das Drehbuch.
In den späten 80er-Jahren arbeitete Swinton mit den unabhängigen deutschen Filmemachern Christoph Schlingensief und Klaus Wyborny. Künstlerische Arbeit und freundschaftliches Zugeneigtsein gingen Hand in Hand. 1988 setzte sie sich auf ein Fahrrad und fuhr an der Berliner Mauer entlang; festgehalten findet sich die sommerliche Spritztour in dem Kurzfilm "Cycling the Frame" von Cynthia Beatt. Beschwingt fährt sie auf die Grenzanlagen an der Glienicker Brücke zu, hinter ihrer großen Sonnenbrille schaut sie von einer Aussichtsplattform im Wedding auf eine graue Straßenflucht in Prenzlauer Berg.
Tilda Swinton kam am 5. November 1960 in London zur Welt, sie ist Spross einer schottischen Adelsfamilie, deren Genealogie sich bis ins Jahr 780 zurückverfolgen lässt. Am Stammsitz der Familie, in der Ortschaft Nairn, hat sie in diesem Jahr ein eigenes Filmfestival ins Leben gerufen. Es heißt "The Ballerina Ballroom Cinema of Dreams" und findet in einem ehemaligen Ballsaal statt. Der Eintritt beträgt wahlweise drei Pfund oder ein Blech selbst gebackenen Kuchen, und die Zuschauer nehmen auf Bohnensäcken Platz.
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