Berlin-Wahl und die A 100: Der Ausweg aus dem Dilemma
Die Grünen wollen mit der SPD regieren, aber nicht den Weiterbau der A100 unterschreiben. Die Lösung ist eine Volksbefragung nach CDU-Vorschlag.
Wer führende SPDler und Grüne in diesen Tagen bei diversen Anlässen zusammenstehen sieht, kann sich nicht des Eindrucks erwehren, vorgezogene Koalitionsverhandlungen zu erleben. Der einzige Knackpunkt bleibt die A100: SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit will sie so sehr wie sonst nur die CDU und will davon eine Koalition abhängig machen. Die Grünen hingegen lehnen den Ausbau ab. Doch langsam wird klarer, wie die Lösung aussehen kann: nichts im Koalitionsvertrag festschreiben, sondern die Bürger entscheiden lassen. Wie in Baden-Württemberg beim umstrittenen Bahnhofsprojekt Stuttgart 21.
Auf den ersten Blick erscheint die Situation tatsächlich ausweglos, weil die einen wollen, die anderen aber nicht. Es lohnt sich ein zweiter Blick: Da sagt der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann jetzt der Agentur dpa: "Es wird keine grüne Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag geben, der die Verlängerung der A100 vorsieht." Ratzmann formulierte nicht: Mit Grünen im Senat gibt es keinen Weiterbau.
Im Fall eines Volksentscheids müssten SPD und Grüne dazu gar nichts im Koalitionsvertrag festschreiben, könnten die strittige Frage elegant auslagern, und jeder könnte das Gesicht wahren. Eingeknickt wäre dann keiner. Wer könnte den beiden Parteien in Zeiten zunehmender Bürgerbeteiligung vorwerfen, eine urdemokratische Entscheidung zu akzeptieren?
Bislang weisen zwar die Spitzenbewerber beider Lager eine solche Lösung von sich. Renate Künast (Grüne) sagte bereits im Juli im taz-Interview: "Ich halte es für ein Sichdrücken, wenn man zentrale Punkte nicht im Koalitionsvertrag klärt." Auch von Wowereit ist zu hören, solche Fragen müsse die Politik selbst klären. Das sind aber Meinungsäußerungen, keine Versprechen, die schwer zu brechen wären.
Schon im November 2010 hatte die CDU eine Volksbefragung über die A100 parallel zur Abgeordnetenhauswahl angeregt. SPD und Linke, aber auch Grüne und FDP lehnten den Vorstoß ab: Die Wahl selbst sei die Abstimmung über die A100, hieß es, die Auswahl des Themas sei willkürlich, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung seien ausgeschöpft, auch weil Bürger längst selbstständig ein Volksbegehren auf den Weg bringen könnten.
Im Juni hatte folgerichtig CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel wie nun der Grüne Ratzmann seine Position klargemacht, sich aber dieselbe Hintertür für eine - damals noch für möglich gehaltene - grün-schwarze Einigung offen gelassen: "Es wird keinen Koalitionsvertrag geben, in dem drinsteht, dass wir die A100 nicht weiterbauen."
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