piwik no script img

Berlin-Konzert von Jimetta Rose und ChorDem Atmen einen Ton geben

US-Sängerin Jimetta Rose tritt Samstagnacht mit ihrem Gospelchor The Voices of Creation bei ihrer ersten Europatour im Berliner Tresor auf.

Jimetta Rose und the Voices of Creation am Samstag, 19. August 2023 vor dem Berliner Tresor Foto: Miriam Klingl

Gegen Ende des Konzertes ihres Chors The Voices of Creation im Berliner Club Tresor am Samstagnacht hält Leiterin Jimetta Rose kurz inne und blickt zurück: Wie sie vor wenigen Jahren die Gruppe in Los Angeles gegründet hat und damals dachte, dass sie höchstens einige Auftritte in der Nachbarschaft haben würden; wie ihre Musik sie und ihre Mitglieder nun zur ersten Europatournee um die halbe Welt bringt.

In diesem Moment steckt ungläubiges Stauen, auch Stolz und Selbstbewusstsein, aber vor allem echte Freude über das Erreichte. Und The Voices of Creation gelingt es, diese Freude auf ihr Berliner Publikum zu übertragen – bis alle in verzücktem Gesang vereint singen.

Jimetta Rose ist als Sängerin geboren. Schon im Kleinkindalter sang sie solistisch in ihrer Schwarzen Kirchengemeinde. Später leitete sie den Chor und besuchte die renommierte Hollywood High School, aus der viele Ab­sol­ven­t*in­nen in der Filmbranche landeten. Dort nahm sie Unterricht in Gesang, Tanz, aber auch Bühnentechnik.

Sie komponiert alle Songs selbst

Ende der Nullerjahre findet sich ihre ausdrucksstarke Stimme auf ersten Alben des experimentellen R-&-B-Produzentrios Sa-Ra Creative Partners. Auch ihr Debüt „The Barber’s Daughter“, ein Kleinod des Soul der Zeit, auf dem Rose alle Stücke selbst komponiert hat, erscheint 2010.

Ein weiteres Album, produziert von der seelenverwandten Funk-Königin Georgia Anne Muldrow, kommt 2016 heraus. Dazwischen hat Rose zwar immer wieder mit Mu­si­ke­r*in­nen wie Anderson.Paak und Kamasi Washington in Los Angeles zusammengearbeitet, trotzdem blieb ihr größere Aufmerksamkeit versagt.

Der viel zu früh verstorbene Produzent Ras G sagte ihr, sie sei für anderes bestimmt, und verglich ihre Stimme mit der von Sängerin June Tyson, lange die Hauptstimme von Sun Ras Arkestra. Durch diesen Hinweis begann Rose, sich mit dem Spirituellen Jazz der frühen 1970er zu beschäftigen. In Musikveteran Jack Maeby fand sie einen Partner, der ihre Idee umsetzte, einen eigenen Chor zu gründen.

Über das Internet suchte sie schließlich Laienmusiker*innen, mit denen sie unter dem Namen The Voices of Creation 2022 das Album „How Good It Is“ veröffentlichte.

Bouquethafter Strahlenkranz

In Berlin besteht der Chor aus sieben Frauen- und drei Männerstimmen. Beim Konzert im Tresor sind die Mu­si­ke­r*in­nen in unterschiedlichen Kostümen in Silber gekleidet. Armreifen und Fingernägel sorgen für farbig leuchtende Akzente. Jimetta Rose trägt einen bouquethaften Strahlenkranz.

Wenn sie nicht selbst die erste Stimme hat, steht sie mit dem Rücken zum Publikum und dirigiert ihren Chor mit ganzem Körpereinsatz, gibt Wechsel vor und wählt Sän­ge­r*in­nen für Solos aus. Jack Maeby legt mit Orgel und Synthbass die harmonische Grundlage, dazu kommt Percussion als rhythmisches Gerüst sowie hin und wieder ein Beat aus dem Schlagzeugcomputer. Durch diese sparsame Instrumentierung tritt die ansteckende Kraft des Gesangs noch deutlicher hervor.

Zwar ist das Album der Voices of Creation erst vor einigen Monaten erschienen, am Samstagnacht in Berlin zeigt sich, wie schnell Rose die Gruppe inzwischen weiterentwickelt hat. Der Chor reagiert auf die kleinste Fingerbewegung ihrer Leiterin, es folgt Höhepunkt auf Höhepunkt, selbst aus ruhigen Passagen katapultiert Rose ihre Sän­ge­r*in­nen mit einfachen Mitteln in höchste Sphären emotionaler Intensität.

Liebe und Lebensglück

Textlich drehen sich die Stücke um Liebe, Lebensglück und Freude. Glaubwürdig werden diese simplen Botschaften dadurch, dass Rose keine Predigerin ist, sondern dezent darauf hinweist, dass je­de*r einen eigenen Weg für sich finden muss. Dazu kommt Humor. In dem Stück „Operation Feed Yourself“, einer Coverversion von Sons & Daughters of Lite, geht es um ein Rezept für mentale Gesundheit. Nacheinander fragt Rose im Call & Response die Mitglieder des Chors jeweils nach ihren Mitteln.

Diese singen mit umwerfenden Phrasierungen von Begriffen wie Geduld und Sinnlichkeit, worauf ihr Gesangsbeitrag dann von den anderen im Chor beantwortet wird. Ein Sänger scattet lautmalerisch, woraufhin Rose meint, dies sei die Geheimzutat, die jedes Familienrezept für den besonderen Geschmack enthält.

Der Song „How Good It Is“ preist Atmen als Ausdruck von Lebendigkeit. Er lässt sich als Motto von Jimetta Rose und The Voices of Creation verstehen. Denn Singen ist nichts anderes, als dem Atmen einen Ton zu geben. Wer atmet, kann deshalb auch singen und so das Leben in all seinen Höhen und Tiefen erfahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!