■ Berlin: Die Entlassung von Amnon Barzel ist eine Blamage: Scharfer Wind
Geht es in dieser Stadt um Holocaust-Kranzniederlegungen, dann sind die Oberen von Berlin, von Diepgen angefangen, eilfertig mit feierlicher Miene und Gedenkreden zur Stelle. Doch nicht an ihren Reden, an ihren Taten wollen wir sie messen. Und diese Taten sind deutlich. Der Kultursenator und sein Generaldirektor Reiner Güntzer wünschen kein unabhängiges Jüdisches Museum, das diesen Namen verdient. Mit seinem Integrations- sprich: Unterordnungsmodell besitzt Güntzer dabei noch die Chuzpe, sich auf angebliche Vorstellungen des verstorbenen Gemeindevorsitzenden Heinz Galinski zu berufen – Güntzer also als Wahrer der echten jüdischen Tradition.
Die Jüdische Gemeinde hatte bereits lange schon unter ihrem alten Vorstand unmißverständlich klar gemacht, daß für die Juden in Berlin diese Konzeption des Senats nicht akzeptabel ist. Darüber besteht in der Gemeinde auch mit dem neuen Vorstand eine klare, einhellige Meinung. Dagegen setzt Amnon Barzel in seiner Konzeption auf eine jüdische Perspektive der Geschichte Berlins, mit betont internationaler Ausrichtung. Doch die ist mit unseren Hauptstadtprovinzlern, in der CDU wie der SPD, nicht zu machen.
Genau zum Tag nach der Wahl des neuen Gemeindevorstands als Antrittsgabe des Kultursenators dann die Ohrfeige für die Gemeinde, ohne auch nur vorherige Abstimmung: Kündigung des Direktors des Jüdischen Museums, Amnon Barzel, und kurz zuvor bereits die Androhung drastischer Kürzungen bei der jüdischen Volkshochschule. Es weht, wenn es um jüdische Angelegenheiten geht, ein neuer Wind in Berlin. Man läßt sich von den Juden nun nichts mehr gefallen, und Erinnerungen an die schlimmen Zeiten drängen sich hier auf, der Vorstand hat ganz zu Recht daran erinnert.
Andreas Nachama und seine Leute haben das Richtige getan. Mit dem Kultursenator Radunski wollen sie solange nicht mehr reden, bis Herrn Güntzer die Kontrolle über das Jüdische Museum entzogen ist. Der Streit spitzt sich nun möglicherweise zu. Dem besonnenen, auf Ausgleich ausgerichteten Nachama werden wir wünschen müssen, fest bei seinen Prinzipien zu bleiben. Michael Bodemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen