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Berichterstattung zum FrauentagWar da was?

In Berlin haben am 8. März 10.000 Menschen demonstriert. An diese Zahl zu gelangen war schwer. Denn einen Bericht war es vielen Medien nicht wert.

Besonders viele Bilder gibt es von den Demos in Berlin übrigens auch nicht Foto: imago/Christian Ditsch

Es ist Mittwochabend. Um mich herum protestieren Menschen mit Transparenten und Sprechchören gegen Sexismus und Diskriminierung, fordern das gute Leben für alle. Es ist eine von mehreren Berliner Demonstrationen zum Internationalen Frauentag, organisiert von dem Bündnis Frauen*kampftag.

Wir sind schon mehrere hundert Meter gelaufen, da klingelt mein Telefon. Eine Freundin steht am Startpunkt der Demo und sucht mich – auf dem Platz selbst sind immer noch so viele Menschen versammelt, dass vielen gar nicht klar ist, dass der Protestzug schon läuft. Wir sind viele. Doch wer nicht dabei war, wird davon nur am Rande erfahren.

Am nächsten Morgen will ich wissen, wie viele Menschen an der Demonstration teilgenommen haben. Auf der Webseite der Berliner Zeitung und des Tagesspiegels finde ich: nichts. Hier dreht sich alles um den anstehenden Streik an Berliner Flughäfen. Das Boulevardblatt BZ berichtet außerdem, wie Berliner Polizisten Jagd auf Dachse und Wildschweine machen.

Ich suche nach „Frauentag“, „Demonstration“ und „Berlin“ bei Google News – und finde einen Artikel der Berliner Zeitung darüber, wie der 8. März in der DDR gefeiert wurde. „Frauentag: Warum gibt es den?“, fragt die Aachener Zeitung. Es gibt Sammeltexte, die in jeweils kurzen Absätzen zusammenfassen, was in welchem Land passiert ist, zu den USA gibt es längere Artikel. Im letzten Absatz eines Artikels im Neuen Deutschland heißt es: „Auch in Berlin protestierten mehrere tausend Menschen für Frauenrechte.“

Nun fanden die Demos vor allem abends statt, die Texte müssen vielleicht noch geschrieben werden. Ich durchsuche die Agenturmeldungen. Hier wird doch wohl irgendwo die Zahl der Teilnehmenden zu finden sein, getickert von dpa, AFP oder sonst einer Agentur. Fehlanzeige. Auch ein Anruf bei der Pressestelle der Berliner Polizei hilft nicht weiter – man gebe generell keine Zahlen mehr heraus, heißt es.

Wir waren viele

Erst eine Mail an die Veranstalter*innen gibt Aufschluss: Ihren Angaben zufolge liefen etwa 8.000 Menschen mit. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Kreuzberger Oranienplatz sollen es dann etwa 10.000 gewesen sein – hier kamen die verschiedenen Demos zu einem gemeinsamen Abschluss zusammen.

Wir waren viele. Es gab mehr Aktionen als im Vorjahr, nicht nur in Berlin. Auch in Hamburg etwa waren gleich vier Demonstrationen angekündigt. Das war dem Hamburger Abendblatt einen Vorabbericht wert – um Autofahrer vor Verkehrsbehinderungen zu warnen.

Warum gibt es so gut wie keine Berichte von dem Abend, an dem deutschlandweit Tausende für die Rechte von Frauen protestiert haben?

Der Internationale Frauentag gilt vielen als eine Art „Pflichtveranstaltung“. Entstanden ist er Anfang des 20. Jahrhunderts – als Frauen noch dafür kämpfen mussten, überhaupt wählen zu dürfen.

Heute beschleicht einen oft der Verdacht, der 8. März werde mit einem zweiten Muttertag verwechselt. Männer wünschen Frauen „Alles Gute zum Frauentag“, der Chef verteilt Blumen an die Kolleginnen im Büro – quasi eine Perversion dieses Tages an sich. Medien bringen vorab ihre Standardartikel – siehe oben – und damit ist das Programm abgehakt.

Frauenrechte sind nicht selbstverständlich

So auch in diesem Jahr. Doch die Art der Berichterstattung wird der feministischen Bewegung noch viel weniger gerecht als in den vergangenen Jahren. Denn gerade jetzt entdecken viele Menschen wieder, warum – und worum – es sich an diesem Tag zu kämpfen lohnt.

Es ist in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt worden: Der rechte Backlash politisiert die Menschen, bringt sie auf die Straße. Frauenrechte wurden über Jahrzehnte in harten Kämpfen errungen. Sie sind nicht selbstverständlich. Menschen wie Donald Trump sind der lebende Beweis dafür, dass diese Rechte auch wieder eingeschränkt werden können.

Überall auf der Welt, von den USA über Argentinien nach Deutschland, haben Frauen in den letzten Monaten lautstark ihre Stimme erhoben, die mediale Aufmerksamkeit war groß. Doch einen Tag nach dem 8. März scheint es damit vorbei zu sein. Die ausbleibende Berichterstattung zeigt: Wir müssen wohl noch viel lauter werden.

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9 Kommentare

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  • "Männer wünschen Frauen „Alles Gute zum Frauentag“, der Chef verteilt Blumen an die Kolleginnen im Büro – quasi eine Perversion dieses Tages an sich." - Habe Blumen an meine Frau und Kolleginnen verteilt. Damit pervertiert man also den Frauentag. Wie soll man sich dann bitteschön verhalten? Nichts sagen ist auch wird ebenso schnell missverstanden... es ist zum Haare ausruppen.

    • @Sonnenscheinchen:

      Man(n) könnte am Weltfrauentag Vereine unterstützten die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter engagieren, oder die Pforten öffnen für Berufsorientierungstage von Schulklassen, Anti-Sexismus Seminare in der Firma anbieten und und und. - Blumen sind nett, aber kleine Aufmerksamkeiten ändern das politische und gesellschaftliche Klima der spezifischen Diskriminierung nicht, darum geht es am Welt Frauentag.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    @Velofisch und Nobodys Hero:

    Ich denke, es geht um Gleichstellung, also die realen Lebensbedingungen und die real existierende Diskriminierungen und nicht einfach nur um Gleichberechtigung, welche auch faktisch noch nicht erreicht ist, z.B. bei der Ehe, der Beschneidung, der Abtreibung, dem Wehrrecht, traditionell auch beim Scheidungsrecht.

     

    Das Patriarchat definiert nicht nur Vorteile für Männer, sondern auch Nachteile. Ich weiß nicht, ob männliche Patriarchatskritik jetzt gleich feministisch ist, aber das Patriarchat ist auf jeden Fall auch für Männer unterdrückend.

  • Super! Endlich mal gesagt, was mir aufgefallen ist. Danke für den Artikel, da hat wenigstens eine mitgedacht.

  • Zumindest in der taz gibt es ja viele Berichte und in den Regionalblättern fernab interessieren Demonstrationen in Berlin nicht so sehr - selbst wenn da mehr Leute kommen.

    Die Transformation vom Tag für die Gleichberechtigung von Frauen zum Tag der Frau ist symptomatisch. Demnächst wird es wohl eine Mischung aus Valentinstag und Muttertag mit entsprechenden Frauentags-Geschenk-Specials von der Konsumindustrie.

    Eine ketzerische Frage, könnte es daran liegen, dass wir inzwischen GleichbeRECHTigung in unseren Breiten haben? Wenn die eigentlichen Ziele erreicht sind und eine große Mehrheit dafür ist, dann wird aus Protest ein inhaltloses Volksfest.

    • @Velofisch:

      "Eine ketzerische Frage, könnte es daran liegen, dass wir inzwischen GleichbeRECHTigung in unseren Breiten haben? Wenn die eigentlichen Ziele erreicht sind und eine große Mehrheit dafür ist, dann wird aus Protest ein inhaltloses Volksfest."

       

      Ja!

  • Ich verstehe ehrlich gesagt nicht ganz wofür die Frauen hier kämpfen. Gleichberechtigung ist Realität und per Gesetz festgeschrieben. Lohnunterschiede gibt es nur noch in der Theorie oder wenn jemand schlecht verhandelt. Bei einer Scheidung sind sie so gut wie immer in der besseren Position. Alles warum Frauen demonstrieren erschließt sich mir wirklich nicht. Eher sollten Männer demonstrieren und um das Recht auf ihre Kinder kämpfen. Dafür hätte ich vollstes Verständnis...

    • @Nobodys Hero:

      Der Lohnunterschied existiert und dazu muss man zum Glück noch nicht mal gesellschaftskritische Medienerstattung konsumieren. Ich kann immer noch vier Stunden vergewaltigt werden und der Mann wird freigesprochen weil er das nicht böse gemeint hat (http://www.maz-online.de/Lokales/Brandenburg-Havel/Skandal-Urteil-wird-bundesweit-diskutiert) -das wurde übrigens nicht Bundesweit diskutiert. Kinder bedeuten Frauenarmut, weil Mütter nicht nur alle Rechte haben, sondern auch schlechtere Berufschance, die Doppelbelastung Arbeit und Kind immer noch häufiger Tragen als die Erzeuger und falls sie sich auf die klassische Rolle doch einlassen, direkt auf die Altersarmut zusteuern und und und. Echt jetzt, dass fällt dir nicht auf? - Ich finde auch dass die Eltern dieselben Rechte am Kind haben sollten aber auch dieselbe Verantwortung übernehmen.

      Eins noch-selbst in den Biobüchern an den Schulen werden nicht mal annähernd die weiblichen Körper den männlichen gleichgestellt und das obwohl das Weiblich das primäre Geschlecht ist. Ja, ja kein Patriachat in Deutschland, das Frauen benachteiligt.

  • ...und die TAZ braucht 2 Tage. Ja, ich bin wirklich enttäuscht!