Berichterstattung vom Klimagipfel: Der Blick aus dem Süden
Eine britische Initiative bringt Journalisten aus Entwicklungsländern zu Klimakonferenzen: Eine Chance für bessere Berichterstattung - und mehr Gleichberechtigung im Pressepool.
CANCÚN taz | Meena Menon hat Glück. Gerade als die Redakteurin des Hindu vor dem Azteca-Building des Kongresszentrums Cancún wartet, erscheint der indische Umweltminister Jairam Ramesh in einer Wolke von Begleitern und stellt sich den Fragen der Journalisten. Menon ist froh: "Unsere Politiker sind hier viel eher erreichbar als zu Hause", sagt sie.
In ihrem Büro in Mumbai ist sie Chefin der Lokalredaktion und so mit Organisation beschäftigt, dass sie kaum noch zum Recherchieren von Umweltgeschichten kommt. Da ist der Klimagipfel eine willkommene Abwechslung.
Ihre Kollegin Fidelis Eka Satriastani vom Jakarta Globe hat ganz andere Erfahrungen: "Unsere Delegation hier steht so unter Stress, dass die Mitglieder überhaupt keine Zeit für uns haben." Dafür ist sie überrascht, wie groß das Interesse der übrigen Welt an den indonesischen Regenwäldern ist, die einen zentralen Platz beim Klimaschutz einnehmen. "Wir haben hier neue Studien über die Bedeutung des Waldes diskutiert und viel gelernt", sagt die junge Frau, als sie mit ihrer Gruppe zum verabredeten Lunch mit dem ehemaligen Umweltminister des brasilianischen Bundesstaats Amazonas hetzt.
Menon und Satriastani wären von ihren Redaktionen nicht den weiten und teuren Weg nach Cancún geschickt worden. Eingeladen hat sie die "Climate Change Media Partnership" (CCMP), zu der sich die Nachrichtenagentur Internews, das Entwicklungs-Institut "Panos" und das Londoner Institut für Umwelt und Entwicklung iied zusammengeschlossen haben.
Zum sechsten Mal holt die Koalition insgesamt 35 Journalisten aus Afrika, Nahost, Asien, den pazifischen Staaten, Lateinamerika und der Karibik zu einem Klimagipfel. "31 sind auch angekommen", sagt Mike Shanahan vom iied. "Die anderen haben keine Transitvisa für die USA bekommen - aus welchen Gründen auch immer."
Das Programm kümmert sich um einige der Probleme, die Journalisten aus Schwellen- und Entwicklungsländern die Arbeit schwer machen: Wenig Geld, wenig Zugang zu Informationen und Gesprächspartnern, wenig Zeit und Gelegenheit für Recherche - und das bei einem Thema, das "viele Millionen Menschen in diesen Ländern direkt betrifft", heißt es vom iied.
Die Stipendiaten von Print, Radio, Fernsehen und Online-Medien bekommen ein Einführungsseminar, machen Recherche-Ausflüge und haben die Chance, mit den wichtigen Verhandlern am Klimagipfel in Hintergrundgesprächen die Positionen der einzelnen Länder zu erkunden. "Das Programm führt zu mehr und besserer Berichterstattung in diesen Ländern", meint Shanahan. Es stärke die Medien in den Südländern, die Journalisten bildeten Netzwerke zur Berichterstattung über Umweltthemen. "Außerdem bringt es auch mehr Stimmen aus dem Süden in den globalen Medienpool."
Der ist nämlich immer noch stark von den Industrieländern dominiert. Beim Klimagipfel in Kopenhagen (für Cancún liegen bislang keine Zahlen vor) kamen von den 4000 akkreditierten Journalisten 85 Prozent aus den Industrieländern. In den Pressekonferenzen führen fast ausschließlich die großen Sender und Nachrichtenagenturen aus den USA, Europa und zunehmend aus China das Wort. Der Journalist aus Simbabwe geht da mit seiner Frage eher mal unter.
"Journalisten fehlen oft Wissen und Werkzeuge, um die Verwirrung rund um die Klimawissenschaften und die komplexen Verhandlungen zu durchschauen", sagt Rebecca Nadin vom British Council, der bei der Universität Oxford eine Studie zum Thema ("Summoned by Science") in Auftrag gegeben hat. Die Untersuchung empfiehlt mehr professionelle Arbeit bei Journalisten, mehr Offenheit bei Wissenschaftlern und mehr Konzentration auf die Folgen des Klimawandels für die Menschen vor Ort.
Mit ähnlichen Zielen hat in der Vergangenheit auch das deutsche "Institut für Internationalen Journalismus" Journalisten zu den Klimakonferenzen geholt. Doch nach Cancún hat das Institut, das sich aus Mitteln des deutschen Entwicklungsministeriums (BMZ) finanziert, keine Stipendiaten geschickt. Aus Kostengründen, wie Leiterin Astrid Kohl sagt, aber auch, weil sich inzwischen die deutsche BMZ-Hilfe mehr auf Afrika und Asien als auf Lateinamerika konzentriere. "Handwerklich hat sich das Programm bewährt und nächstes Jahr in Durban sind wir auch wieder dabei", sagt Kohl.
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