Bericht über westliches Iran-Netzwerk: Experten in der Kritik
Medien werfen einem Netzwerk von Iran-Analyst*innen vor, von Teheran gesteuert worden zu sein. Die sprechen von Unwahrheiten und einer Hetzjagd.
Im Mittelpunkt stehen Iran-Expert*innen aus den USA, die Zugang zu US-Regierungskreisen haben. Auch ein deutscher Experte spielt eine Rolle. Die Erwähnten plädieren grundsätzlich für eine diplomatische Lösung des Atomkonflikts mit Iran in Form eines Atomabkommens – eine Position, die unter anderem von der US-Administration unter Donald Trump abgelehnt wurde. Unter ihm traten die USA aus dem Atomabkommen von 2015 aus. Aber auch in europäischen Hauptstädten mehren sich Stimmen, die ein Atomabkommen ablehnen.
Ziel der „Iran Experts Initiative“ (IEI), über die Iran International gemeinsam mit der US-Nachrichtenseite Semafor berichtet, sei gewesen, über internationale Expert*innen und Thinktanks Einfluss auf westliche Entscheidungsträger*innen zu nehmen. Brisant ist, dass drei der erwähnten US-Expert*innen eng mit Robert Malley zusammengearbeitet haben, dem früheren Iran-Sondergesandten der US-Administration unter Präsident Joe Biden.
Kürzlich erst wurde Malley beurlaubt, weil es Fragen bezüglich seines Umgangs mit sensiblen Dokumenten gegeben haben soll. Derzeit läuft eine FBI-Untersuchung. Ob ein Zusammenhang mit der IEI besteht, wollte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Dienstag nicht sagen. Malley war maßgeblich an den Atomverhandlungen mit Iran beteiligt.
Die Recherche basiert Iran International und Semafor zufolge auf E-Mails und anderer Kommunikation aus dem iranischen Außenministerium sowie zwischen Diplomat*innen und Iran-Expert*innen aus den Jahren 2003 bis 2021. Den E-Mails zufolge gehörte zur IEI auch die heutige Pentagon-Mitarbeiterin Ariane Tabatabai sowie Ali Vaez, ein Analyst des einflussreichen US-Thinktanks „International Crisis Group“.
Artikel-Entwurf nach Teheran geschickt
Vaez dementierte in einer Reihe wütender Posts auf X, dass Iran über die IEI Einfluss genommen habe. Er sieht eine „Hetzjagd“ und spricht von einem „einheitlichen Muster: wiederholte Behauptungen, Anspielungen, falsche Darstellungen, die darauf abzielen, einzelne Personen anzugreifen. Nichts davon ist wahr.“
Er bestätigte allerdings nicht nur die Existenz der IEI, sondern auch, dass er einen seiner Iran-Artikel vor Veröffentlichung mit einem hochrangigen Bediensteten des iranischen Außenministeriums geteilt habe. In seiner Mail soll Vaez geschrieben haben: „Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Ihr Feedback.“ Auf X erklärte er nun, er habe den Entwurf „aus Höflichkeit“ nach Teheran geschickt; der Artikel sei später ohne wesentliche Änderungen veröffentlicht worden.
Die Crisis Group ließ laut Iran International in diesem Zusammenhang mitteilen, dass Analyst*innen ermutigt würden, relevante Textpassagen mit Involvierten zu teilen. Artikel würden jedoch selbstverständlich nicht zur Abnahme vorgelegt. Die IEI, heißt es weiter, sei eine „informelle Plattform“ gewesen, die von europäischen Institutionen und einer europäischen Regierung finanziell unterstützt worden sei.
Dem deutschen Iran-Experten Adnan Tabatabai werfen Iran International und Semafor vor, dem iranischen Außenministerium angeboten zu haben, dass IEI-Mitglieder Artikel über die Atomverhandlungen verfassen, die dann im Namen iranischer Offizieller veröffentlicht werden.
Gegenüber Iran International wies Tabatabai die Vorwürfe zurück. Die Berichte basierten auf Unwahrheiten und Falschannahmen; die E-Mails seien nicht echt. Tabatabai steht in Deutschland seit Monaten in der Kritik. Das Medienportal Übermedien suggerierte im vergangenen Jahr, Tabatabai arbeite für das iranische Regime, Beweise legte es allerdings nicht vor.
In den USA haben die Berichte über IEI zu Reaktionen ranghoher Politiker*innen geführt: „Die Amerikaner haben sich zu Recht gefragt, warum die Biden-Administration dem iranischen Regime so freundlich gesinnt ist und warum Beamte der Biden-Administration den nuklearen Fortschritt und den Terrorismus im Iran unterstützt haben“, schrieb der republikanische Senator Ted Cruz.
„Diese Berichte und E-Mails deuten auf eine umfangreiche iranische Einflussnahme hin“, so Cruz weiter. Die Biden-Regierung müsse nun die Sicherheitsfreigaben von allen US-Beamten auszusetzen, die mit der IEI in Verbindung stehen. Cruz ist ein vehementer Gegner einer möglichen Wiederbelebung des Atomabkommens, die Biden nicht ausschließt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland