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Bericht über Schulschiff "Gorch Fock"Exzesse der Stammbesatzung

Erbrochenes an Deck, der Kapitän in Badehose, Todesdrohungen und Dauerrausch - der Bericht des Wehrbeauftragten Königshaus enthüllt unglaubliche Missstände auf der "Gorch Fock".

Brutale Schleifermethoden auf der "Gorch Fock": Die Grenze des Zumutbaren sei "manchmal sehr schwer zu finden". Bild: dpa

BERLIN dpa | Der vom Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus in Auftrag gegebene Bericht über die Zustände auf dem Marine-Schulschiff "Gorch Fock" enthält nach Medienberichten Hinweise auf massiven Alkoholmissbrauch an Bord. Mehrere der auszubildenden Offiziersanwärter hätten sich bei Königshaus' Untersuchungsteam über Exzesse der Stammmbesatzung auf der gegenwärtig laufenden Fahrt beschwert, bei der eine Kadettin tödlich verunglückt war. Das berichtete Spiegel Online am Dienstag unter Berufung auf den Report.

Die Financial Times Deutschland berichtete unter Berufung auf die Protokolle der Befragung an der Marineschule Mürwik bei Flensburg, die Offiziersanwärter hätten übereinstimmend ausgesagt, sie seien vor dem Tod ihrer Kameradin Anfang November nicht darüber informiert worden, dass das Aufentern in die Takelage freiwillig sei. Erst nach dem tödlichen Sturz der Frau habe der inzwischen abgesetzte Kapitän Norbert Schatz darauf hingewiesen.

Der Wehrbeauftragte wollte sich im ZDF-Morgenmagazin nicht zu den berichteten Details äußern. Ein betrunkener Ausbilder soll den Berichten zufolge in der Nacht in den Schlafraum der Kadetten gekommen sein und gelallt haben, "dass er Offiziersanwärter hasse und sie töten würde". Ein Kadett sagte laut Spiegel Online aus, er habe "auf dem Deck Erbrochenes der Offiziere wegputzen müssen". Der Ex-Kapitän selbst sei "besonders häufig in Badehose gesehen worden" und habe ansonsten nur Pflichttermine wahrgenommen. Ein früheres Mitglied der Stammbesatzung warf ihm auch Verstöße gegen übliche seemännische Verhaltensregeln vor. Kommandant Schatz habe mit dem Segelschiff ohne Not immer wieder Orkane ansteuern lassen. "Dabei sind mehrere Segel gerissen", zitierte die Zeitung den namentlich nicht genannten Mann. Er habe wohl den Geschwindigkeitsrekord des Schiffes brechen wollen.

Vor dem Hintergrund der Affäre hat der stellvertretende Unionsfraktionschef Andreas Schockenhoff (CDU) eine bessere Informationspolitik über Missstände und Schwierigkeiten der Truppe gefordert. "Die Fakten müssen transparent und zugänglich sein. Nur so kann in einer Demokratie auch öffentlich mit solchen Problemen umgegangen werden", sagte Schockenhoff. Zugleich betonte er, der besonders in der "Gorch-Fock"-Affäre unter Druck geratenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg habe das volle Vertrauen der Fraktion. Der Minister verheimliche nichts bei der Aufklärung der geöffneten Feldpost von Soldaten, dem Tod eines jungen Soldaten in Afghanistan und des Drills auf dem Segelschulschiff, sagte Schockenhoff.

Dass die Bundeswehr wochenlang über den Tod des Soldaten in Afghanistan im Dezember nicht umfassend berichtete, obwohl der Minister bereits kurz nach dem Unglück die Beteiligung eines Kameraden deutlich gemacht habe, nannte Schockenhoff eine "ärgerliche Informationspanne". Hier müsse mehr "Sensibilität" entwickelt werden.

Auch die CSU-Landesgruppe im Bundestag stellte sich hinter den unter Druck geratenen Verteidigungsminister. "Die Landesgruppe steht geschlossen hinter Dir", sagte deren Vorsitzender Hans-Peter Friedrich nach Angaben von Teilnehmern einer Sitzung der CSU-Bundestagsabgeordneten am Montagabend in Berlin. Der Minister habe zum Ende seiner Rede starken Applaus erhalten. Die Opposition hält die von Guttenberg angeordnete Absetzung des Kapitäns des Schulschiffes "Gorch Fock" für überstürzt, Grüne und Linke wollen gegebenenfalls einen Untersuchungsausschuss einschalten.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Affären stellt Königshaus heute seinen ersten Jahresbericht vor. Der FDP-Politiker gibt darin einen Überblick über jene Missstände, die er bei Truppenbesuchen festgestellt hat und die ihm von Soldaten mitgeteilt wurden.

An die Adresse von Verteidigungsminister Guttenberg warnte Königshaus in der Passauer Neuen Presse vor einem Generalverdacht gegen die Truppe. "Eines muss klar sein: Die Überprüfung der Teilstreitkräfte soll die Truppe nicht unter Generalverdacht stellen. Dafür sehe ich auch keinen Anlass", sagte Königshaus. "Die Bundeswehr ist gut aufgestellt. Ein grundsätzliches Problem in der Menschenführung kann ich (...) jedenfalls nicht feststellen."

Das Zentrum für Innere Führung der Bundeswehr verteidigte angesichts der Kritik an brutalen Schleifermethoden auf der "Gorch Fock" die Notwendigkeit militärischen Drills. Die Grenze des Zumutbaren sei dabei "manchmal sehr schwer zu finden", sagte Oberst Siegfried Morbe von der Koblenzer Militär-Bildungseinrichtung. "Es muss eine militärische Notwendigkeit vorhanden sein, es muss eine Sinnhaftigkeit vorhanden sein. Drill um des Drills willen, lehnen wir ab."

Zu der von Verteidigungsminister Guttenberg angekündigten Überprüfung der gesamten Bundeswehr auch auf fragwürdige Rituale sagte Morbe, es würden voraussichtlich auch Leute gefunden, die sich hart am Rande des guten Geschmacks und vielleicht sogar der Verletzung von Strafgesetzen bewegten. "Die Grenze ist dort, wo es gegen die Würde des Soldaten geht", sagte Morbe.

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23 Kommentare

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  • V
    vic

    @ heinzl

    Wusste ich`s doch. Auch das wird wieder einer "normal" finden.

  • WW
    Willi Wutbürger

    Verkaufen, den Pott und fertig is!

     

    Kostet nur Steuerzahlers Knete!

  • GF
    Gorch Fick

    Segelsuhlschiff Gorch Fick fertig zum entern ! Die Bundeswehr als Wichs-, Gröhl und Saufverein. Ich habe es doch immer gewusst. Rauf in die Segel sonst nix Karriere kleiner Anwärter-Wicht. Die Bundeswehr als Schule der Nation. Um es mit einem Kommentar aus dem Film "Das Boot" zu sagen : "....Stück Kreide in den Arsch stecken und Otto an die Wand schreiben !" (Thomsen, U-Boot-Kommandant). Antreten zum kielholen Herr von Guttenberg.

  • O
    Oduudo

    Warum werden Marinesoldaten auf einem Segelschiff ausgebildet? Bei der Post werden die Postautofahrer auch nicht auf einer Postkutsche ausgebildet.

  • V
    vic

    Meine Meinung zum Thema Bundeswehr und Militär im Allgemeinen, und diesen Vorgängen im Besonderen kann ich nicht blumige Worte kleiden -

    also lass ich`s besser.

    Eins noch;

    Guttenberg sollte berücksichtigen, dass er, je näher 2013 kommt, zunehmend Merkels Konkurrent wird. So richtig sicher scheint mir seine Position also nicht zu sein.

    Er wäre nicht der Erste.

  • WN
    Wozu noch Bundeswehr ?

    Schafft dieses überflüssige " Bw " endlich ab.

     

    Immerhin hat die Weise - Strukturkommission im November 010 festgestellt das von derzeit 185.000

    Soldaten eigentlich nur 8.000 brauchbar wären.

     

    Das würde doch für die " Spezialkräfte " und Minentaucher + Kampfschwimmer reichen ?!

     

    Der Rest ( siehe die Aussagen über den Kommandanten )

    scbeint ja im privatwirtschaftlichen Rahmen nicht

    brauchbar sein , nur in Uniform sind diese Gestalten

    " Herrenmenschen " und zu Hause " unterm Pantoffel" !

     

    So ist halt Deutschland noch immer im Jahre 2011,

    oder ist 1933 oder 1914 gar 1871 heute ?!

  • E
    @end.the.occupation.58

    Was hat denn Ihr ständig wiederholtes Märchen von den armen Zivilisten in Kundus mit den Mißständen auf der Gorch Fock zu tun?

  • O
    otto

    Ob Pädagogik und fundierte Psychologie bei unseren Ausbildern in den Staatsbetrieben (einschließlich der Schulen) überhaupt und generell auch bei der Ausbildung der Ausbilder entsprechend ihrer Bedeutung gewürdigt werden sehe ich im Blick auf die winzige, sichtbar gewordene berühmte Spitze des Eisberges nicht. Ob Politiker mit ihrer eigenen Eliteausbildung und Elitesozialisation als Kontrollinstanz für dies Gepflogenheiten überhaupt in Ermangelung von Emphase in Frage. Diese behaupten doch selbst von sich stolz nie eine Träne vergossen zu haben zu sein wie es die niedersächsische "amtierende Kultus- und Bildungsministerium in einem Interview mit Gymnasiasten zum Besten gegeben hat.

    Mir gibt das zu denken! Hauptsache man hat die juristischen und betriebswirtschaftlichen Fakultäten mit Auszeichnung abschließen können.Parteibücher sind bei der Ämtervergabe zu wichtig. Nomenklatur und Parteiendiktatur sind gefährlich und tendieren zur Bildung von Demokraturen und Fraktionszwängen um der Macht und der Gier willen!

    MfG, ein Ausbilder

  • M
    Mallord

    .. ho ho ho ...

     

    lustig lustig gehts zu auf deutschlands staatsgaleere number one.... käptn ahab steuert mit eiserner hand einen wüsten kurs und hat sicher mehr als einmal das makel seiner späten geburt beklagt... wie wäre es doch vor vier- fünfhundert jahren gewesen.. als freibeuter in der karibik, mit kaperbrief unter der bundesflagge, im rumrausch schiffe versenkend und den stürmend trotzend über die sieben meere zu jagen.. und wer nicht will wie er kann über die planke gehen.. selbst jack sparrow wäre auf seiner BLACK PEARL vor neid erblasst..

     

    ... doch nun... hats nur zu einem mittelmäßigen käptn bligh gereicht dessen geschundene mannschaft nicht mal das rückgrat hatte ihren peiniger auf einer einsamen insel auszusetzen...

     

    wie öde sind die modernen zeiten doch.....

  • P
    P.Haller

    Wieviele Segelschiffe hat eigentlich die deutsche Marine in ihren Reihen, um eine Ausbildung auf einem Segelschiff zu rechtfertigen ?

    Oder gehts darum gar nicht ?

    Oder gehören die ausgebildeten Takelage-Kletterer eigentlich zur Gebirgsmarine ?

    Wer weiss was ?

  • BM
    Bernd Mehrens

    Missstände in der BW aufzudecken und zu beschreiben

    ist eine Sache - Sprechblasen irgendwelcher Politiker

    wie irgendein stellvertretender Fraktionsvorsitzer, Ortsgruppenleiter oder sonstwer - Meine Güte!

  • T
    Thomsen*

    Unnötiger Drill im Hafen? Wann soll man das denn sonst üben. Im Sturm auf hoher See? Da muss man routiniert und geübt sein. Das geht nun mal nicht ohne Drill.

    Schön in der schicken Uniform um die Welt gondeln? Ist halt nicht die Aida.

    Wichtig: Auch ich missbillige jede Art von Schikane und sonstigem Fehlverhalten.

    Aber, liebe Taz, ein bisschen mehr Fakten als das - es soll, es könne, es sei, der hätte usw. - kann es dann schon sein.

    Und so reisserische Texte wie "unglaubliche Missstände o. ä. gehören in die Bildzeitung und nicht hierher.

    Sonst machen wir es wie Guttenberg, Meinung bilden ohne Fakten.

  • S
    Stimmvieh

    Es gibt eine ganz einfache Lösung für all diese Probleme, die nebenbei auch noch einen Berg Geld sparen würde: Man schafft die Bundeswehr ganz einfach ab.

    Ohne die Drohkulisse vom bösen Russen, der über Westeuropa herfällt, wäre Deutschland gar nicht erst wiederbewaffnet worden, heute besteht diese Drohkulisse nicht mehr.

    Und wer jetzt sagt, das sei unrealistischer Quatsch, möge sich bitte einmal Costa Rica anschauen, oder Island: Die haben seit Jahrzehnten kein Militär und fahren gut damit.

    Aber bevor diese Ansicht mehrheitsfähig wird, müssen erst noch eine Menge SoldatInnen und noch viel mehr unschuldige Zivilisten sterben.

  • E
    end.the.occupation.58

    Was soll man schon von einem Verein erwarten, der in alter Wehrmachtstradition bei Kunduz gut einhundert Dörfler in Stücke zerreissen und verbrennen liess?

     

    Und wo war da der Protest der Politik - wo waren die hartnäckigen Fragen der Damen und Herren Journalisten?

     

    Aber - auf's Deck kotzen - das tut der gute deutsche Offizier nicht! Da muss auch die TAZ protestieren.

  • T
    tazitus

    "Gorch Fuck" ergibt bereits mehr als tausend Treffer in Findemaschinen

  • S
    Swanni

    Wie jetzt, bei der Bundeswehr wird Akohol getrunken ?

  • R
    robert48

    Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein Bürgerlicher Kapitän auf dem Flaggschiff unserer Kriegsmarine, ähhh... Bundesmarine werden konnte ?

    Unter von und zu Karl-Theoder wäre das sicher nicht passiert.

  • R
    Rennsegler:

    Es besteht ein grosser Unterschied zwischen Macht und Autorität.

     

    Der machtgeile SChiffsführer auf persönlicher Rekordjagd verheizt eben sein Fussvolk im System zwänglerischen Gehorsams, für das die Bundeswehr nunmal so typisch ist.

     

    Selbstverständlich lässt sich ein Segelschulschiff nicht demokratisch führen, doch Exzesse wie die beschriebenen sind Machtmissbrauch und keine Schiffsführung.

     

    Wie so viele Vorgesetzten in hierarchischen Uniformsystemen hat der Kapitän wohl seine persönlichen Autoritätsmängel mit dumpfen Machtdemonstrationen zu kompensieren versucht.

     

    Das ist aber kein Grund die Ausbildung auf einem Segelschulschiff grundsätzlich zu verteufeln, sondern eher eine Mahnung zur Überprüfung von Beförderungswegen und Auswahlkriterien für Vorgesetzte.

  • T
    Tajmahal

    Sie sind bei jeder möglichen Gelegenheit bis an den Rand vollgesoffen, bezeichnen Frauen als 'Matratzen', machen merkwürdige Sexwetten, wer die Kadettinnen 'knallt', und spielen mit ihren Waffen herum. In der Reihenfolge des gesellschaftlichen Prestiges stehen sie seltsamerweise vor den Hartz IV Empfängern. Aber nun wird eine offene, eine transparente Diskussion gefordert, bei der man - so hoffe ich - besoffenen Abschaum Abschaum nennen darf.

  • T
    traktator

    WEICHEIER mit Dioxin gefüllt züchten?

    - Wenn im Dschungelcamp Klodienst ist ist es egal ob User Durchfall hatten (Thema: Übergebenes)

    - im ersten Lehrjahr zum Koch müssen die Azubis auch Bratbleche kratzen, Anstreicher Farbeimer ausbrennen...

     

    Oh Gott, der Käpten in Badehose!!! Dann soll die/der VoyerIn eben nicht hingucken...

    - und mit Sexuellem kann heute jeder jedermanns Karriere vernichten weil wir die amerk. "political correctnes"1:1 übernehmen...

    ...und wenn dpa und Spiegel neutraler berichten braucht es keine taz und keine leitartikelnde wertende Vorbemerkung, oder?

  • K
    KFR

    "Ein grundsätzliches Problem in der Menschenführung kann ich (...) jedenfalls nicht feststellen."

    allein das begründet eine fristlose Entlassung wegen offensichtlichem Realitätsverlust !

  • H
    heinzl

    Erbrochenes aufwischen, den Kapitän in Badehose sehen, Betrunkene erleben und bei Starkwind segeln - Krieg ist die Hölle.

    Warum die Sensibelchen sich dann aber für den Soldatenberuf entschieden haben ist mir ein Rätsel. Im Einsatzfall werden diese Süßwassermatrosen noch mit ganz anderen "Stressfaktoren" konfrontiert.

    Freiwilliges Aufentern? Vielleicht auch noch freiwillier Waffeneinsatz und eine Diskussionsplenum bei anstrengenden Einsätzen? Wer Höhenangst hat, kann eben kein Offizier in der Marine werden, es gibt zwar auf anderen Schiffen keine Takelage aber turmhohe Aufbauten die gewartet und repariert werden müssen.

  • Q
    Querulant

    "Die Grenze ist dort, wo es gegen die Würde des Soldaten geht"

     

    Stimmt, auf die Würde des Menschen kann Militär nicht rücksicht nehmen, daher wenigstens die Würde des Soldaten...