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Bericht der WeltnaturschutzunionNaturschutz leidet unter Pandemie

Wildhüter werden wegen wirtschaftlicher Folgen in der Krise entlassen und Patrouillen in Schutzgebieten eingestellt. Besonders betroffen ist Afrika.

Ranger in Kenia: in vielen Schutzgebieten wurden wegen der Pandemie Wildhüter entlassen Foto: Xinhua/imago

Genf/Berlin afp/ots | Auch der Naturschutz leidet in weiten Teilen der Welt unter der Coronapandemie. Wie die Weltnaturschutzunion (IUCN) am Donnerstag mitteilte, mussten viele Schutzgebiete wegen der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie Wildhüter entlassen oder Patrouillen zum Schutz vor Wilderern kürzen. Erhebungen in Schutzgebieten in 90 Ländern weltweit zeigten dem Bericht zufolge, dass die Auswirkungen in Afrika besonders groß sind, aber auch in Lateinamerika und Asien.

Die Gesundheit der Menschen stehe in der Coronapandemie natürlich an erster Stelle, erklärte IUCN-Generaldirektor Bruno Oberle. Die Pandemie habe aber auch verheerende Folgen für den Naturschutz und die beteiligten Menschen.

In mehr als 60 Ländern hat dem Bericht zufolge jeder fünfte Wildhüter seinen Arbeitsplatz verloren. Mehr als ein Viertel der Wildhüter bekamen demnach weniger Gehalt oder erhielten ihr Geld verspätet. Mehr als die Hälfte der Schutzgebiete in Afrika berichteten demnach, dass Patrouillen und andere Maßnahmen gegen Wilderer eingestellt oder gekürzt werden mussten.

Als Grund werden vor allem fehlende Einnahmen aus dem Tourismus genannt, der in vielen Teilen der Welt praktisch zum Erliegen gekommen ist. In Brasilien wird geschätzt, dass die reduzierte Besucherzahl zu einem Umsatzverlust von 1,6 Milliarden US-Dollar führte, während in Namibia kommunale Schutzgebiete nach ersten Schätzungen 10 Millionen US-Dollar an direkten Tourismuseinnahmen verlieren könnten. Der Einbruch beim Naturtourismus sei gewaltig und habe zu massiven Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten geführt, sagte Adrian Philips von der IUCN-Komission für Schutzgebiete.

Der WWF fordert Soforthilfen für Schutzgebiete

„Wir müssen beobachten, dass die Einnahmen für Naturschutzprojekte etwa aus nachhaltigem Tourismus in Folge der Pandemie abnehmen, während zugleich weltweit Staaten massiv Mittel aus dem Naturschutz abziehen oder Naturschutzregelungen lockern oder komplett außer Kraft setzen“, sagt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland. Es brauche daher dringend ein Notfallprogramm und Soforthilfen. Einerseits direkt für die Schutzgebiete, damit deren Arbeit nicht zusammenbreche. Andererseits für die lokale Bevölkerung vor Ort, deren Lebensunterhalt etwa von Tourismuseinnahmen abhängt.

„Wer aufgrund der Verwerfungen dieser Pandemie plötzlich nicht mehr weiß, wie er seine Familie satt bekommen und seinen Lebensunterhalt finanzieren soll, für den ist die Versuchung groß, in die Schutzgebiete zu gehen, um dort illegal zu jagen oder durch verbotenen Holzeinschlag wenigstens ein bisschen Geld in die Tasche zu bekommen. Genau das müssen wir verhindern“, sagt Heinrich.

Es gehe längst nicht mehr nur um die Beseitigung eines Umweltproblems, so der WWF-Vorstand weiter. Vielmehr gelte: „Ob Gesundheitspolitik, Straßenbau oder Haushaltsplanung: Naturschutz muss mitgedacht werden. Das hat uns nicht zuletzt die Corona-Pandemie schmerzlich vor Augen geführt. Schließlich war der Sprung eines Virus vom Wildtier auf den Menschen wohl Auslöser dieser Katastrophe.“

Es gilt in der Wissenschaft als Konsens, dass Umweltzerstörung Krankheits-Übersprünge von Wildtieren auf Menschen wahrscheinlicher machen. Wenn vitale Ökosysteme zerstört werden und natürliche Barrieren wegfallen, bringt das Arten in Kontakt zueinander, die vorher nicht im Kontakt waren. Durch die Umweltzerstörung geraten nicht nur Tierarten ins Ungleichgewicht, auch Erreger-Dynamiken verändern sich. Außerdem entsteht eine neue, räumliche Nähe zum Menschen. So zeigt etwa eine brasilianische Studie aus 2010: Die Abholzung von vier Prozent eines Waldes ging mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle einher.

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