Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl: Bundeswehr-Zustand bleibt desolat
Hat das Sondervermögen die Lage der Bundeswehr verbessert? Das Urteil der Wehrbeauftragten Eva Högl ist harsch.
Dabei hat der seit mehr als einem Jahr währende russische Angriffskrieg auf die Ukraine alles verändert. „Die Landes- und Bündnisverteidigung ist wieder Kernauftrag der Bundeswehr“, teilt Högl bei der Vorstellung ihres Jahresberichts mit. Am Geld sollte es eigentlich nicht mangeln, schließlich hatte der Bundestag ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro beschlossen. Aber, moniert die SPD-Politikerin: „Ich muss leider feststellen, dass im Jahr 2022 von diesem Sondervermögen noch kein Euro und kein Cent ausgegeben wurde.“
Die Wehrbeauftragte gilt als „Anwältin“ der Soldat:innen. Sie unterstützt nach Artikel 45b den Bundestag bei der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. Scharfe Kritik übt Högl am Beschaffungswesen, das ihr schlicht „zu behäbig“ ist. Material, die persönliche Ausrüstung der Soldat:innen, diverses Gerät: „Es dauert alles viel zu lang.“
Mit der Unterstützung der Ukraine hätte sich das Problem verschärft, denn das abgegebene Material müsse schnell ersetzt werden. Ihre Beispiele klingen absurd. Seit rund sechs Jahren fehlen offenbar Geräte für ein Biologie-Labor für die ABC-Abwehr-Schule in Sonthofen, ein spezieller Fliegerhelm steht schon seit 2013 auf der Beschaffungsliste. Dabei handelt es sich laut Högl um Produkte, die auf dem Markt durchaus verfügbar sind.
Auch einen kleinen Seitenhieb auf Kanzler Scholz verkneift sich Högl nicht. Das von ihm ausgerufene Deutschland-Tempo für Infrastrukturprojekte wie LNG-Terminals müsse auch für die Bundeswehr gelten: „Zu viele Kasernen in Deutschland sind in einem erbärmlichem Zustand.“ Und: Ohne Tempo „würde es etwa ein halbes Jahrhundert dauern“, bis die Infrastruktur der Bundeswehr modernisiert wäre.
Neue Aufgaben, mehr Stress fürs Personal. Und dessen Anzahl mit 183.051 Soldat:innen ist derzeit rückläufig. Laut Bericht waren es 2021 noch 183.695 Soldat:innen. Bis 2031 sollen es 203.000 werden. Högls Prognose ist auch bei dem Thema düster. Lange Einsatzzeiträume, Überlastung, wenig attraktive Jobs für Frauen – das alles macht es schwer, die Marke zu erreichen. Die Lücken sind bekannt und durch das zugesagte Sondervermögen offenbar nicht zu schließen. Högl erneuerte ihre Forderung nach einer Verdreifachung der Summe und unterstützt die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, den regulären Etat um 10 Milliarden Euro zu erhöhen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe