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Berauschte Elefanten

■ Kein bißchen Wahlkampf: Voscherau, Sager und von Beust zur Drogenpolitik

Eine nette Plauderei mit der GAL-Spitzenfrau Krista Sager zu seiner Linken fing er gar nicht erst an. Erstens kann Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) sie nicht sonderlich leiden. Zweitens wollte er am Dienstag abend gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, bei der Veranstaltung der Heroininitiative zur Drogenpolitik ginge es um Wahlkampf. „Ich bin nur wegen des Themas hier“, verkündete Voscherau und verweigerte den Fotografen ein gemeinsames Bild mit Sager und CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust.

Die erste Elefantenrunde in diesem Wahlkampf war ein geschickter Schachzug des SPD-Titelverteidigers. Nicht nur weil der Sprecher der Heroininitiative, Michael Mach, vehement dazu aufrief, die Partei des Heroin-vom-Staat-Befürworters Voscherau zu wählen. Das Thema eignete sich auch hervorragend, Legalisierungs-Gegner Ole von Beust von den rund 200 ZuhörerInnen ausbuhen zu lassen. GALierin Krista Sager hatte Schwierigkeiten, sich klar von Voscheraus progressiver Drogenhilfepolitik abzugrenzen.

Eine ärztlich kontrollierte Heroin-Abgabe an Schwerstabhängige sei „nur der erste Schritt“, bestätigte Voscherau die Befürchtungen des CDU-Kronprinzen von Beust. Weitere Legalierungsstufen müßten folgen, „wenn sich die Diskussion versachlicht hat“.

„Ich bin psychisch am Arsch. Ich will meine Drogen haben, verdammte Scheiße!“Einer der Junkies überschrie die Politikerrunde. Voscherau zuckte im Duett mit Sager hilflos die Schultern. Hamburger Vorstöße in Bonn scheiterten bisher am Widerstand der CDU. Die FDP, so Voscherau, habe allerdings schriftlich zugesichert, sich für einen Hamburger Heroin-Modellversuch einzusetzen.

„Ein menschenwürdiges Leben ist mehr wert als ein suchtfreies Leben“, holte Krista Sager zur Kritik aus. Es sei verantwortungslos, das erfolgreiche Hamburger Methadon-Programm wegen des „blödsinnigen Kostenfaktors“zu knicken. Wenn die Krankenkassen sich weigerten zu zahlen, müsse die Stadt einspringen. Es gebe doch „große Summen, die die Polizei blockiert“.

Darüber hinaus sei die vom Senat praktizierte Vertreibungspolitik unerträglich. „Mir gefällt die Situation am Hauptbahnhof auch nicht“, sagte Sager, aber Platzverweise und Gebietsverbote führten nur zur Verlagerung in die S-Bahnen und andere Stadtteile. sim

Die Diskussion wird am 21.6.97 auf der NDR-Hamburgwelle 90,3 von 19 bis 20 Uhr ausgestrahlt

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