Belgiens Wahlgewinner Bart de Wever: Der Separatistenführer
Er bediente sich rechtspopulistischer Klischees - doch zum Schmuddelkind wurde er nicht. De Wever hofft jetzt darauf, dass sich Belgien allmähig in Luft auflöst.
BRÜSSEL taz | Der Mann ist ein gewiefter Stratege, ein brillanter Taktiker und der Liebling der belgischen Medien. Bart de Wever, 39, gelernter Historiker, hat die 2001 von ihm gegründete Neue Flämische Allianz (N-VA) innerhalb von 9 Jahren zu Belgiens zweitstärkster Partei gemacht.
Bart de Wever hat dabei als beharrlicher Kämpfer für Flanderns Unabhängigkeit gepunktet und sich gelegentlich rechtspopulistischer Klischees bedient, ohne zum geächteten Schmuddelkind der etablierten Parteien zu werden. Im Gegenteil: Von 2006 bis 2008 bildeten die flämischen Christdemokraten mit der N-VA eine Listengemeinschaft. Sie waren froh, dass der beliebte Politiker dem ausländerfeindlichen, von den anderen Parteien geächteten Vlaams Belang Stimmen abjagen konnte.
Zum Bruch kam es, als sich de Wever 2008 weigerte, in die unter dem Christdemokraten Yves Leterme gebildete Föderalregierung einzutreten. Sein politischer Instinkt erwies sich als richtig. Leterme hat die nötigen Reformen in Belgien nicht zustande gebracht, die flämischen Wählern straften ihn ab. Damit ihm nicht das Gleiche passiert, wird de Wever den Auftrag König Alberts, nun eine neue belgische Regierung zu bilden, ganz sicher ablehnen. "Die flämischen Politiker, die diesen Posten angenommen haben, haben dafür stets ihr Programm opfern müssen. Dazu bin ich nicht bereit", erklärte er gestern nach dem Sieg bei den Parlamentswahlen, die seiner Partei 27 Sitze bescherte. Er machte allerdings klar, dass er künftig die Regierung mitbestimmen will. "Wir werden endlich die notwendigen Reformen umsetzen", sagte er unter dem Jubel seiner Anhänger.
Auch die bei einem Regierungsantritt fällig werdenden Bilder will de Wever auf keinen Fall liefern. Vor dem Hintergrund der belgischen Nationalflagge lässt er sich nur ungern ablichten. Kürzlich posierte er aber vor einer Europafahne, in der ein Stern durch den flandrischen Löwen ersetzt war. Für starke Bilder und starke Symbole hat der aus Südafrika stammende Eisenbahnersohn, dessen Vater für die Rassentrennung eintrat, ein gutes Gespür. 2005 ließ er vor einer wallonischen Fabrik Milliarden falscher 50-Euro-Scheine verteilen, um den Finanzausgleich zwischen dem reichen Flandern und der armen Wallonie anzuprangern. Trotz solch drastischer Demonstrationen fordert der Flame nicht die sofortige Spaltung des Landes. Er setzt darauf, dass sich Belgien im Lauf der kommenden Jahre allmählich in Luft auflöst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“