: Belgien wird härter
■ Regierung verordnet Lohnverzicht
Brüssel (dpa) – Mit Kürzungen im Sozialbereich, dem Einfrieren der Reallöhne und höheren Steuern will Belgiens Regierung den Niedergang der Wirtschaft bekämpfen. Die am Mittwoch vorgelegten Pläne der Mitte-Links-Regierung von Premierminister Jean- Luc Dehaene stießen gestern auf schärfste Kritik und Empörung. Sie bescherten den zehn Millionen Belgiern „drei lange Opferjahre“, kritisierten Kommentatoren der belgischen Tagespresse. Es werde lediglich versucht, das ausufernde Defizit mit höheren Steuern auf dem Rücken der Bürger auszugleichen. Der in drei Wochen ausgehandelte 69 Seiten umfassende Plan stopft ein 75 Milliarden Francs großes Loch im Sozialetat mit Kürzungen bei den Leistungen und höheren Steuern für alle Einkommensgruppen. Um die erlahmte Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Unternehmen wieder anzukurbeln, will die Regierung den heimischen Arbeitgebern die Lohnnebenkosten mit 30 Milliarden Francs verbilligen.
Arbeitszeitverkürzungen sollen in Betriebsvereinbarungen beschlossen werden. Zuschüsse für Lohnnebenkosten gibt es für Jugendliche und Langzeitarbeitslose. Wesentlicher Eckpfeiler ist ferner ein Einfrieren der Reallöhne 1995 und 1996.
Der Regierungschef sagte, der Plan sei ein ausgewogener Kompromiß, bei dem alle Einkommensgruppen Verantwortung tragen müßten. Die belgische Regierung habe „eine solide Grundlage für die Zukunft geschaffen“. Die belgische Zentralbank senkte zur Unterstützung des Krisenplanes deutlich die Leitzinsen.
Das Königreich steht bei der Staatsverschuldung an erster Stelle in der Europäischen Union, hat sich aber zum Ziel gesetzt, die Neuverschuldung drastisch zu drosseln und so international Boden gutzumachen. Um den Sozialhaushalt vor dem drohenden Bankrott zu retten und geringere Sozialabgaben der Arbeitgeber auszugleichen, werden die Mehrwertsteuer von derzeit 19,5 auf 20,5 Prozent angehoben und Zinserträge (künftig 13,4 Prozent) sowie der Immobilienbesitz stärker besteuert.
Auch Alkohol, Tabak und Mineralölprodukte werden teurer. Gespart wird auch beim Kindergeld, das nach Familieneinkommen gestaffelt und teilweise durch Abgaben kinderloser Familien und Alleinstehender finanziert werden soll.
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