Belgien debattiert UN-Migrationspakt: Die Rechte macht Druck
Der UN-Migrationspakt droht die belgische Regierung zu spalten. Die nationalistische Koalitionspartei N-VA distanziert sich vom Regierungschef.
Auf dem Spiel stehe nicht nur die Regierung, sondern auch das Image Belgiens als liberales und weltoffenes Land, hieß es am Mittwoch in Brüssel. Gleichzeitig wurde darüber spekuliert, wie viele Stunden die heterogene Regierungskoalition aus Liberalen, Christdemokraten und der flämischen N-VA noch hält.
Wegen der nationalistischen Linie von N-VA-Chef Bart de Wever galt die Regierung seit ihrem Start 2014 als „Kamikaze“-Koalition. „Die Regierung, die nach Marrakesch fährt, hat nicht die Unterstützung der N-VA“, drohte De Wever. Allerdings hat er es bisher vermieden, die Reißleine zu ziehen.
Das nutzte Premier Michel, um eine „progressive“ Mehrheit mit Grünen und Sozialisten zu schmieden. Im Parlament wurde am Mittwoch auch über den UN-Migrationspakt beraten. Michel hofft auf breite Unterstützung für eine Resolution, mit der er dann nach Marrakesch reisen kann. „Wer jetzt den Stecker zieht, handelt unverantwortlich“, sagte Michel dem Sender Bel RTL.
Der rechtsextreme Vlaams Belang mobilisiert
Derweil heizt sich die Stimmung im Norden des Königreichs weiter auf. Besonders aktiv ist dabei der rechtsextreme Vlaams Belang, der nicht an der Regierung beteiligt ist. Er kündigte für Samstag eine Veranstaltung zum Migrationspakt mit dem US-Ideologen Steve Bannon im flämischen Parlament an.
Bei den Kommunalwahlen im Oktober hatte der Vlaams Belang an Stimmen gewonnen. Allerdings legten landesweit auch die Grünen zu. De Wever und Michel versuchten, sich für die Wahl im Mai zu positionieren und neue Koalitionen abzustecken. Der Streit um den UN-Migrationspakt sei letztlich nur vorgeschoben.
Allerdings ist Belgien mit diesem Streit nicht allein. Österreich, Ungarn und Italien haben sich unter dem massiven Druck rechter Populisten und Nationalisten bereits gegen den Migrationspakt ausgesprochen. Die EU ist in dieser Frage gespalten. Und die EU-Kommission, die eigentlich aufklären sollte, schweigt.
EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos scheint neuerdings zurückzuweichen. Am Dienstag schlug er vor, die heikelsten Fragen der EU-Migrationspolitik – die Asylverfahrensordnung und die Dublin-Verordnung mit den Aufnahmeregeln für Asylbewerber – zurückzustellen. Die Migration ist zu einem Minenfeld geworden – nicht nur in Belgien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“