Belgien beschließt Sparhaushalt: Jetzt muss nur noch regiert werden
Die zukünftige Regierung in Belgien hat sich auf einen Haushalt für 2012 geeinigt - Steuern werden erhöht. Einer Kabinettsbildung steht nun nichts mehr im Weg.
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BRÜSSEL taz | In der belgischen Hauptstadt Brüssel versuchen derzeit nicht nur die EU-Institutionen, den wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruch der Eurozone zu verhindern. Auch die nationalen belgischen Politiker kämpfen ums Überleben ihres eigenen Landes. Am Samstag sind sie dabei ein gutes Stück weitergekommen: Die sechs Parteien, die die künftige Regierungskoalition bilden sollen, einigten sich auf den Haushalt für das kommende Jahr.
Damit steht einer Regierungsbildung wohl nichts mehr im Wege - eineinhalb Jahre nach den Wahlen. Der Verhandlungsführer Elio di Rupo von den frankophonen Sozialdemokraten soll jetzt, so König Albert II., möglichst schnell ein Kabinett bilden.
Die Parteien standen unter besonders großem Druck, denn die Rating-Agentur Standard & Poors hatte am Freitag die Kreditwürdigkeit des Königreichs von AA+ auf AA herabgestuft. Die Angst wuchs, dass Belgien in den Strudel der EU-Schuldenländer geraten könnte.
Sondersteuer für Wohlhabende
Dies scheint nun erst einmal abgewendet. Die sechs Parteien aus dem flämischen und dem frankophonen Landesteil - wobei der eigentliche Gewinner der Wahl vom Juni 2010, die separatistische Neue Flämische Allianz (N-VA) von Bart De Wever, an der Sechserkoalition nicht beteiligt ist - einigten sich auf ein weitreichendes Sparprogramm und Reformen des Sozialsystems. Allein im kommenden Jahr sollen damit 11,3 Milliarden Euro eingespart werden.
Spätestens 2015 wollen die Politiker einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Dies will die Sechsparteienkoalition mit Einsparungen bei den Staatsausgaben und einigen neuen Steuern erreichen, zum Beispiel mit einer Erhöhung der Abgaben auf Tabak und Alkohol. Außerdem sollen Wohlhabende eine Sondersteuer zahlen.
Deutsche Kritik prallt ab
Nicht ändern wollen die Belgier allerdings die Indexierung der Löhne. Diese sollen weiterhin automatisch an die Inflation angepasst werden. Die deutsche Bundeskanzlerin hatte dieses System in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert.
Den Gewerkschaften gehen die Einschnitte bei Renten und Arbeitslosengeld dennoch zu weit. Sie haben für kommenden Freitag einen Generalstreik geplant. Die Einigung auf den Haushalt kam in letzter Minute: Belgien will heute Staatsanleihen verkaufen, um an den Märkten zwei Milliarden Euro einzunehmen. Wegen der langen Regierungslosigkeit mussten die Belgier zuletzt mit Rekordzinsen rechnen.
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