Monarchie in Belgien: König Albert dankt ab
Albert II., König der Belgier, gibt den Thron auf. Das Amt ist dem herzkranken Monarchen zu schwer geworden. Der freiwillige Abgang ist eine Premiere in Belgien.
BRÜSSEL afp/dpa/taz | Nach der niederländischen Königin Beatrix dankt auch Belgiens König Albert II. ab. Der betagte Monarch kündigte am Mittwochabend überraschend an, den Thron am 21. Juli, dem belgischen Nationalfeiertag, aufzugeben. Als Grund nannte der sichtlich bewegte 79-Jährige in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache seinen allgemeinen Zustand. „Mein Alter und meine Gesundheit erlauben mir nicht mehr, meine Funktion so auszuüben wie ich es möchte.“
Sein Nachfolger werde sein Sohn, Kronprinz Philippe (53). „Nach 20 Jahren Regentschaft glaube ich, dass der Moment gekommen ist, um die Fackel an die nächste Generation weiterzugeben“, begründete der König seinen Schritt. Prinz Philippe sei gut vorbereitet auf seine neue Rolle.
Die Thronfolge fällt damit an den ältesten Sohn von Albert und seiner Frau Paola. Prinz Philippe hat mit seiner Frau Mathilde vier Kinder. Der König sprach am Ende seiner Rede auch Deutsch, eine der Amtssprachen Belgiens. Er sagte: „Es lebe Belgien. Vive la Belgique.“
Albert II. ist der erste belgische Monarch, der gänzlich freiwillig abtritt. Seine Vorgänger schieden zumeist erst mit dem Tod aus dem Amt. Leopold III. gab zwar 1951 den Thron auf – damals war er durch seine Rolle während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg allerdings zu einer höchst umstrittenen Figur im eigenen Lande geworden.
Albert II. gilt als Symbol des föderalen Belgiens, in der langen Regierungskrise der Jahre 2010-2011 spielte er eine wichtige Rolle als Vermittler. In den letzten Monaten war der 79-Jährige vor allem wegen einer angeblich unehelichen Tochter ins Gerede gekommen.
Nach Jahren des Schweigens soll er seine angebliche illegitime Tochter Delphine Boël (49) anerkennen. In der Affäre hüllt sich die königliche Familie bislang strikt in Schweigen, doch das öffentliche Interesse ist groß. Delphines Mutter, Sybille de Selys Longchamps (72), enthüllte in mehreren Interviews, dass ihre Affäre mit Albert 18 Jahre lang dauerte. Sie unterstützt das Anliegen ihrer Tochter, vor Gericht die Vaterschaft des belgischen Monarchen zu beweisen.
Es gibt aber auch Stimmen in Belgien, die die Monarchie und den föderalen Staatsaufbau infrage stellen. So fordert die stärkste Partei des Landes, die Neu-Flämische Allianz eine Veränderung.
Auch die belgische Zeitung De Standaard meinte vor kurzem, „die Erbmonarchie passt wirklich nicht mehr in diese Zeit". Die Monarchie abschaffen und eine richtige Demokratie einführen, soweit will der belgische König aber leider nicht gehen.
Leser*innenkommentare
sputnik
Gast
"Hat dieses Königshaus überhaupt noch eine Existenzberechtigung..." Ganz richtige Frage - in Belgien scheint die Monarchie diese Existenzberechtigung, durch ihre überparteiliche und v.a. überregionale "Klammerfunktion" zu beanspruchen. So nach dem Motto: Ohne König kein Belgien. Allerdings sollten die Historiker mal nach dem Verbleib des enormen Privatvermögens aus der Zeit der Ausbeutung des Kongo durch Leopold II. fahnden. Die Familie hüllt sich da auffällig in Schweigen. Aber die Sachsen-Coburgs hatten schon immer klebrige Finger (s.h. England :-).
Marcus
Gast
Welche berechtigung hat Monarchi im algemeinen?
Nun wenn eine Monarchi in Europa noch nötig ist dann die Belgische. Nicht umsonst wird der König oft schertzhaft als der einzig wahre Belgier bezeichnet. Bei all den gegensätzen in Belgien darf also die Integrierende Funktion des Königshauses nicht unterschätzt werden. Natürlich währe ein säkulare Republick vorzuziehen aber in diesem Fall muss an deren stabilität gezweifelt werden. Ein ende der Belgischen Monarchi könnte schnell zu einem Auseinanderbrechen des ganzen Landes führen, wobei die Kausalität dabei fraglich ist. Nun ist an einer Teilung eines Landes nichts auszusetzen, solange diese von einer Breiten Mehrheit gewollt wird, aber solche Prozesse gehen fast nie einvernehmlich ab. Nun glaube ich nicht an einen Bürgerkrieg im Herzen Europas aber mit Wattebälchen werdne sich die Politischen gegner auch nicht grade Beschmeisen. Auserdem könnte eine Änderung des Status quo in Belgien schnel auch dessen Nachbarn in den Konflikt involvieren.
Ihr Zwitsch
Gast
Die Autor/inn/en vergessen bei der Beschreibung, daß, parallel im wallonischen Fernsehen, die französische Ansprache des Königs lief, sie aber als live deklariert wurde. Das war wohl wieder ein Wunder belgischer Fernsehtechnik. Ein König auf allen Metaebenen. Doch mir stellt sich immer noch die Frage: Welche Ansprache aus Brüssel war jetzt die (zeitlich) echte?
In Belgien kommt es jetzt zu einem Showdown: die NVA des magenkranken Populisten De Wever (jetzt schon Bürgermeister in Antwerpen) könnte ihrer Forderung nach Abschaffung der Monarchie Ausdruck verleihen, im nächsten Jahr ist in Belgien auch ein sogenanntes Superwahljahr.
unbenannt
Gast
Hat dieses Königshaus überhaupt noch eine Existenzberechtigung nachdem was Leopold den Menschen und dem Land Kongo angetan hat, die vielen Toten, all das verflossene Blut, die verstümmelten Menschen, all das Leid und Schmerz an Millionen von Menschen ????