■ Fata Morgana: Belagerung erfunden
Den Boulevardzeitungen war es Schlagzeilen wert: „Während des Abtransports von vier türkischen Sexualstraftätern (im Alter zwischen 15 und 22 Jahren), die sich ihrer Festnahme gewaltsam widersetzen wollten, kam es am Abend des 23. Juli gegen 19.30 Uhr zu einer Straßenschlacht in der Neuköllner Schierker Straße“, hieß es am 25. Juli beispielsweise. „Eine ungefähr hundertköpfige, äußerst haßerfüllte Menge türkischer Jugendlicher und junger Erwachsener habe die Beamten mit Fußtritten, Fausthieben und Ästen angegriffen.“ Die B.Z. berichtete darüber hinaus, daß ein bewaffneter Mob gegen ein Uhr nachts den Polizeiabschnitt 55 in der Rollbergstraße belagert habe und zwecks Gefangenenbefreiung stürmen wollte.
Die Wirklichkeit sah anders aus, so das Ergebnis einer Recherche der taz. Weder hat es die beschriebene Straßenschlacht noch die Belagerung der Polizeiwache gegeben. Falsch wiedergegeben ist nach Zeugenaussagen zudem der Ablauf der Festnahme und die Zahl der angeblichen Sexualstraftäter.
Die falsche Berichterstattung hat nicht allein die Presse zu verantworten. Grundlage der Berichte war nämlich eine Meldung der Polizei vom 24. Juli mit dem Titel: „Polizeibeamte bei Festnahme von vier Sexualstraftätern von aggressiver Menge angegriffen“. Weiter spricht der Polizeibericht davon, daß es vor der Polizeiwache zu „einer Ansammlung von 15 bis 20 Personen“ kam, die „teilweise sehr aggressiv waren“.
Dieser Darstellung widerspricht auch der Leiter des Polizeiabschnitts 55, Polizeioberrat Bernd Grigoleit: „Die Wache wurde weder überfallen noch belagert.“ Die Polizei nahm der taz gegenüber keine Stellung. taz
Siehe Reportage Seite 11
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