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Belagerte Rebellenhochburg in SyrienErste Bewohner verlassen Daraja

Seit vier Jahren belagern Regierungstruppen Daraja. Die Lage war so verzweifelt, dass Rebellen eine Einigung mit dem Regime aushandelten. Auch die Kämpfer ziehen ab.

Hier leben noch Menschen: Daraja nach vier Jahren Belagerung Foto: dpa

Damaskus/Genf dpa | Nach vier Jahren Belagerung durch syrische Regierungstruppen haben die ersten Bewohner den Ort Daraja am südlichen Rand der Hauptstadt Damaskus verlassen. Der regimenahe libanesische TV-Kanal Al-Mayadeen meldete am Freitag, Busse transportierten Männer, Frauen und Kinder in andere Orte. Unter ihnen seien auch Rebellen. Der UN-Beauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, äußerte sich besorgt über das Schicksal der betroffenen Menschen.

Die Rebellenhochburg Daraja wird seit 2012 belagert. Für die syrische Armee ist der Ort wichtig, weil er direkt an einem Militärflughafen liegt. Daraja war regelmäßig Ziel von Luftangriffen des Regimes mit international geächteten Fassbomben. Die rund 8000 eingeschlossene Menschen leiden Aktivisten zufolge unter Mangelernährung. Im Juni hatte erstmals nach knapp vier Jahren ein Hilfskonvoi mit Nahrungsmitteln den Ort erreicht.

Die Zivilisten sollten jetzt zunächst in Auffanglager in Damaskus gebracht werden, hieß es aus regimenahen Kreisen. Bilder aus Daraja zeigten, wie sich die Menschen auf den Straßen zwischen völlig zerstörten Häusern sammelten, um auf den Abtransport zu warten.

Die syrische Regierung und Aufständische hatten sich zuvor in mehrtägigen Verhandlungen auf die Evakuierung geeinigt. Insgesamt sollen in den nächsten Tagen rund 5.000 Menschen Daraja verlassen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte. Die oppositionellen Kämpfer sollen in die von Rebellen beherrschte Provinz Idlib gebracht werden. Die Kontrolle über die Stadt wird danach der syrischen Armee und ihren Verbündeten übergeben.

600.000 Menschen unter Belagerung

Insgesamt leben laut UN in Syrien noch rund 600.000 Menschen unter Belagerung. Die meisten Orte werden vom Regime und seinen Verbündeten blockiert. Der führende syrischen Oppositionelle George Sabra warf der internationalen Gemeinschaft vor, versagt zu haben und die Menschen in Daraja im Stich gelassen zu haben.

Der UN-Beauftragte für Syrien de Mistura äußerte sich besorgt über das Schicksal der betroffenen Menschen. Die Lage sei „äußerst ernst“, erklärte er in Genf. De Mistura appellierte an Russland, die USA und die anderen Staaten der Unterstützergruppe für Syrien (ISSG), die uneingeschränkte Respektierung des humanitären Völkerrechts während der Evakuierung Darajas zu gewährleisten.

Demnach sind bei bewaffneten Konflikten Übergriffe auf Zivilisten ebenso international geächtet wie die Gewaltanwendung gegen Kämpfer, die ihre Waffen niedergelegt haben. Die Stellungnahme De Misturas wurde von den UN veröffentlicht, während er in einem Genfer Hotel mit den Außenministern der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, die Lage in Syrien erörterte.

Bei den Gesprächen zwischen Kerry und Lawrow sollte es nach Angaben von Diplomaten unter anderem um Möglichkeiten zur Wiederaufnahme der Genfer Friedensgespräche gehen. Themen seien auch eine Koordinierung amerikanischer und russischer Luftangriffe auf die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) sowie eine zeitweilige Waffenruhe für den Einsatz humanitärer Helfer in der umkämpften Stadt Aleppo.

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2 Kommentare

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  • Die Lage sei „äußerst ernst“, erklärte de Mistura in Genf. Na, wenn das alles ist, was er nach seinem grandiosen Scheitern (zusammen mit SWP-Chef Perthes) noch von sich gibt. Ist eben nicht von ihm verhandelt worden, dieses lokale Ende der Feindseligkeiten.

     

    Vielleicht sollte man der Vollständigkeit halber erwähnen, daß sich in dieser "Rebellenhochburg" die Islamisten von Ajnad al-Sham und der Islamic Union tummelten.

  • "mit international geächteten Fassbomben"

     

    Es ist mir neu, dass "Fassbomben" international geächtet sind. Wann und wodurch kam es zu dieser Ächtung?