: Beirat im Kleinkampf verzettelt
■ Trotz guter Erfahrungen mit Flüchtlingen will der Huchtinger Beirat keine weiteren Asylunterkünfte / Andere sollen auch mal
Ewig haben Mitglieder der Ortsbeiräte über zu wenig Mitspracherechte gejammert. Seit Sommer nun gelten erweiterte Einspruchsmöglichkeiten von Beiräten gegenüber den Senatsbehörden – doch prompt hat das Huchtinger Stadtteilparlament jetzt vorgeführt, wie man auch diese aus der Hand gibt. Das Beiratsvotum zum Plan der Sozialbehörde, künftig 100 AsylbewerberInnen mehr im Ortsteil unterzubringen, endete am Montagabend mit 8:8 in einem klaren Unentschieden.
„Mit diesem Patt hat der Beirat seine Mitbestimmungsmöglichkeiten aufgegeben“, bedauert Ortsamtsleiter Uwe Martin den Ausgang der Abstimmung. Juristisch gesehen könne die Behörde – mangels klarem Beiratsvotum – nun selbst entscheiden.
Der Staatsrat der Sozialbehörde, Arnold Knigge, betont zwar, man werde die Lage im Beirat respektieren – und nicht über alle Köpfe hinweggehen. Doch vermutlich werde es weitere Gespräche geben. Denn die Sachlage ist klar: Die Zahl der AsylbewerberInnen in der Bundesrepublik ist – nach jahrelangem Sinkflug – zuletzt wieder gestiegen. Um 14 Prozent. „In Bremen fehlen bis Ende nächsten Jahres knapp über 400 Plätze“, rechnet Sozialstaatsrat Knigge hoch. Derzeit gibt es rund 2.000. Diese Zahlen wird die Behörde heute auch der Sozialdeputation vorlegen. Zugleich wird sie darüber berichten, wie dieser Mangel behoben werden soll. So haben die Beiräte in Vegesack, Bremen-Mitte und Blumenthal zugestimmt, bestehende Wohnanlagen auszubauen.
Nur in Huchting will der Beirat keine weiteren Asylbewerber dulden – und das, obwohl das Zusammenleben mit den knapp 200 Flüchtlingen aus aller Welt bisher gut klappte. Das sagen auch CDU-Leute. Wie SPD und Grüne erinnern sie sich an die Erfolge eines runden Tisches, der die Flüchtlings-Eingliederung erleichtert hat. Schlechte Erfahrungen sind es also nicht, weswegen CDU und AfB grundsätzlich gegen die Aufnahme von mehr Flüchtlingen stimmten – vielmehr herrscht in Huchting fraktionsübergreifend der Verdacht des „Immer-müssen-wir-herhalten“. „Stadtteile mit weniger sozialen Brennpunkten müssen keine Flüchtlinge aufnehmen“, blickt nicht nur CDU-Mann Werner Willing nach Oberneuland und Schwachhausen. Da hilft es nicht, dass Ortsamtsleiter Uwe Martin offensiv wirbt: „Die Integrationskraft in Huchting ist groß.“
So kam auch die SPD mit einem Kompromissvorschlag nicht zum Zug. Sie wollte dem Neubau zweier Wohn-Container-Häuser für 75 Personen zustimmen, zugleich aber weniger Personen in bereits bestehenden Einrichtungen zulassen. „So hätte der Beirat wenigstens Position bezogen“, sagt SPD-Fraktionssprecher Ralf Selter. Jetzt rechne er mit „einen Durchmarsch der Behörde“. Dabei sei niemand für deren Pläne. Doch das ging im Kleinkampf des Beirats unter.
ede
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