: „Beides zusammen – das geht nicht“
Die Parteilinke Antje Radcke, Hamburger Landeschefin und frühere Bundesvorsitzende der Grünen, ist für eine Teilaufhebung der Trennung von Amt und Mandat. Für die Parteivorsitzenden soll diese Ausnahme aber nicht gelten
taz: Frau Radcke, Ihre beiden Parteichefs wollen in den Bundestag. Der Partei droht eine neue Strukturdebatte. Haben die Grünen keine anderen Probleme?
Antje Radcke: Das frage ich mich auch. Ich verstehe nicht, warum dieses Thema Trennung von Amt und Mandat jetzt wieder aus der Versenkung geholt wird. Das ärgert mich. Worauf man sich bei den Grünen immer verlassen kann, ist offensichtlich die Wiederkehr der Strukturdebatte.
Sind Sie dafür, dass Fritz Kuhn und Claudia Roth Parteichefs bleiben?
Ja. Die beiden machen gute Arbeit.
Sind Sie dafür, dass Fritz Kuhn und Claudia Roth als Abgeordnete in den Bundestag sollen?
Nein, jedenfalls nicht dann, wenn sie gleichzeitig Parteivorsitzende bleiben wollen. Schauen Sie sich doch mal deren Arbeitspensum an, gerade jetzt, wo es um die Haltung der Grünen zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus geht. Wenn Kuhn und Roth jetzt gleichzeitig noch ein Bundestagsmandat hätten, würde die Parteiarbeit hinten runterfallen.
Gerhard Schröder ist Bundeskanzler, Abgeordneter und Parteivorsitzender.
So sieht seine Arbeit auch aus. Als SPD-Vorsitzender ist Schröder nach außen hin doch gar nicht sichtbar. Er bezeichnet ja nicht ohne Grund seinen Generalsekretär Franz Müntefering als den geschäftsführenden Parteivorsitzenden.
Sie waren selbst einmal Bundesvorsitzende der Partei. Sie haben es damals nicht als Behinderung empfunden, von der Arbeit der Fraktion abgekoppelt zu sein?
Als Parteivorsitzende konnte ich an den Sitzungen der Fraktion teilnehmen, ich hatte dort nur kein Stimmrecht. Als viel belastender hätte ich es empfunden, neben meiner vielen Arbeit in der Partei auch noch die Aufgaben einer Abgeordneten erfüllen zu müssen. Für mich wäre das schier unmöglich gewesen.
Nun ist die Trennung von Amt und Mandat ein Relikt aus der guten, alten, idealisisierten Zeit. Sollten die Grünen nicht ehrlich zu sich selbst sein und das Relikt endlich über Bord werfen?
Ich bin für eine teilweise Aufhebung dieses Prinzips. In Hamburg haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, dass Mitglieder des Landesvorstandes zugleich Abgeordnete sein dürfen. Das effektiviert die Arbeit des Vorstandes und erleichtert die Rückkoppelung in die Fraktion.
Na bitte. Warum wollen Sie das Gleiche nicht auch auf Bundesebene?
Ich könnte mir eine solche Regelung auch für den Bundesvorstand vorstellen – aber nur für Mitglieder dieses Vorstandes, nicht für deren Sprecher. Die Parteivorsitzenden sollten von einer solchen Regelung ausgenommen bleiben. Das ist übrigens bei uns in Hamburg und in anderen Landesverbänden ebenso.
Das ist nur ein halber Schritt. Warum nicht gleich ein ganzer?
Aus den oben genannten Gründen. Außerdem ist es immer gefährlich, eine Satzung nur wegen der Karrierepläne bestimmter Personen zu ändern.
INTERVIEW: JENS KÖNIG
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