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Bei den Langzeitarbeitslosen wird gespartFörderprogramme schrumpfen

Der Bundestag beschließt die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik. Vor allem Langzeitarbeitslose sind von den Einsparungen betroffen.

Qualifizierungsmaßnahme für Langzeitarbeitslose beim Münchener Dynamo Fahrradservice. Bild: dapd

BERLIN afp/taz | Der Bundestag hat die Neuordnung der Förderprogramme für Arbeitslose verabschiedet. Die am Freitag mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition beschlossene Reform sieht unter anderem eine Reduzierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vor. Die Opposition warf der Bundesregierung vor, mit dem Gesetz massiv bei den Hilfen für Langzeitarbeitslose zu kürzen.

Die Fördermaßnahmen sollen nach Überzeugung der Regierung durch das Gesetz übersichtlicher und effektiver werden. Mit dem Gesetz werde der Instrumentenkasten aufgeräumt, sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Damit solle es nun "passgenaue und individuelle Hilfen" geben. "Wir müssen weg von der Dauerförderung künstlich geschaffener Arbeitsplätze", sagte von der Leyen.

Die Opposition warf der Regierung vor, vor allem zu Lasten von Langzeitarbeitslosen zu kürzen. "Es geht nicht um arbeitsmarktpolitische Instrumente, sondern um die Anpassung der Instrumente an Kürzungsbeschlüsse", sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann warf der Regierung vor, sie sorge für einen "gigantischen Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik".

Mit dem Gesetz sollen im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit bis zum Jahr 2015 knapp 7,8 Milliarden Euro eingespart werden. Die Regelungen sehen unter anderem vor, dass der sogenannte Gründungszuschuss für Empfänger von Arbeitslosengeld I von einer Pflicht- in eine Ermessensleistung umgewandelt wird. Dies führt zu Minderausgaben von einer und dann 1,3 Milliarden Euro jährlich.

Ein-Euro-Jobs sollen künftig noch deutlicher nachrangig zu regulärer Arbeit ausgestaltet werden. Bisher schon wurde die Zahl der Ein-Euro-Jobs deutlich reduziert. Empfindlich sind die Kürzungen der Pauschalen, die Träger von Maßnahmen für Ein-Euro-Jobber erhalten, um Verwaltungsausgaben und andere infrastrukturelle Aufgaben zu decken.

Kosten gesetzlich begrenzt

Die Höhe der Maßnahmekosten wird durch eine Grundpauschale von 30 Euro und eine Zusatzpauschale für "betreuungsintensive Fälle" von bis zu 120 Euro pro Fall und Monat gesetzlich begrenzt.

Langzeitarbeitslose sollen künftig innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nur noch die Chance erhalten, maximal zwei Jahre lang bei "zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten" und "zusätzlichen Arbeitsverhältnissen" beschäftigt zu sein. Die kaum noch genutzten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) im Bereich der Arbeitsförderung des Sozialgesetzbuchs III werden gesetzlich abgeschafft.

Der Paritätische Gesamtverband hatte zuvor gerügt, mit dem Gesetz und den Kürzungen werde die öffentlich geförderte Beschäftigung "praktisch abgeschafft". Der Deutsche Landkreistag gab zu bedenken, dass mit den Sparplänen die Fördermittel im Hartz-IV-System stärker reduziert würden als dies der sinkenden Zahl der Leistungsempfänger entspricht. Allein im Land Bremen fallen 2012 nach Berechnungen der Bremer Arbeitnehmerkammer rund 35 Prozent der Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik weg. (BD)

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4 Kommentare

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  • A
    aurorua

    Ob mit oder ohne Förderung, Langzeitharzer sind doch für mindestens 90% aller Personalabteilungen sowieso komplett abgemeldet. Bestenfalls SOZIALSCHMAROTZER und ZEITSKLAVENVERMITTLER pressen durch Dumpinglohn und Aufstockungssubvention noch das letzte aus Langzeitarbeitslosen heraus.

    DANKE ihr tollen Wohlfahrtsverbände, Sozialverbände und Gewerkschaften, die schauen doch auch nur zu und labern völlig ohnmächtig aber medienwirksam daher.

    Grüne und SPD halten am Besten ganz ihre Fresse die haben diesen Hartz-Dreck doch auf den Weg gebracht.

  • JK
    Juergen K.

    Wie der Pabst schon sagte:

     

    Wenn die Gerechtigkeit fehlt, kann es radikal werden.

  • G
    gesellschafts-rentner

    ich gehör(t)e seit 2005 zum kreise der alg-II-bezieher.

    ich habe einen hochschulabschluss und bin "schwerbehindert".

    ich wurde noch nie gefördert! ich habe noch nicht einmal im beisein eines mich begleitenden sozialarbeiters eine antwort von meinem fallmanager darauf bekommen, was denn theoretisch möglich wäre, um mich via förderung in die erwerbsarbeit zu "integrieren". als ich zu viele fragen gestellt habe, wurde ich gezwungen einen erwerbsminderungs- und sozialhilfeantrag zu stellen. ich habe eine halbe erwerbsminderungsrente beantragt und wollte für die anderen 20 stunden vom arbeitsamt (individuell) gefördert werden. ich habe dennoch eine volle erwerbsminderungsrente bekommen, mit der begründung, dass der arbeitsmarkt eine beschäftigung in teilzeit nicht hergebe.

    meine rente liegt natürlich unter der grundsicherung, sodass ich ergänzend sozialhilfe beantragen muss und damit werden mir auch die hinzuverdienstmöglichkeiten genommen.

    da ich nicht sozialversicherungspflichtig erwerbstätig sein kann/darf, steht für mich auch nicht die aktuell angedachte aufstockunsgrente in 30 jahren zur verfügung. so werde ich wohl immer beim sozialamt bleiben.

    ich habe im übrigen auch schon mehrfach versucht, (u.a. mir) selbst stellen zu verschaffen, habe vereine gegründet etc. aber immer läuft es darauf hinaus, dass ich ehrenamtlich arbeitend gerne genommen oder behalten werde, für entsprechend entlohnte stellen aber andere eingestellt werden. ich kann ja ehrenamtlich weiter arbeiten... das werde ich aber nun auch nicht mehr tun.

  • RS
    R. Schmidt

    Die Reduzierung von Ein-Euro-Jobs ist uneingeschränkt zu begrüßen. Zwangsarbeit für ein Taschengeld, und dafür, dass man den Arbeitslosen dafür nicht selbst bezahlen musste, bekam der Träger auch noch Geld! Und zwar ein Mehrfaches des Taschengelds.

     

    Caritas, AWO & Co. gründeten ihre "Wohltätigkeit" auf die Arbeit solcher Kräfte. Nun müssen sie wieder verstärkt auf Ehrenamtliche zurückgreifen...