Bei Sexismus und anderen Problemen: Schlagfertig austeilen
Hilft Schlagfertigkeit wirklich in unangenehmen Situationen? Eine Spurensuche zwischen Instantsuppe und sabbernden Bulldoggen.
D ass ich nicht unbedingt schlagfertig bin, schrieb ich letztens in dieser Kolumne. Seitdem klebt dieser Satz in meinem Hinterkopf. Ich frage mich: Wenn ich schlagfertiger wäre, hätte ich anders reagiert, als vor zwei Jahren ein Sportwagen neben mir bremste? An einer roten Ampel wartete ich auf meinem Fahrrad, der Asphalt glühte bei 36 Grad, ich hatte einen Jeansrock an. Der Beifahrer grapschte aus dem offenen Fenster in meine Richtung, als würde er meinen Po anfassen, und grinste dabei breit. Aus dem hinteren Fenster lehnte sich eine Bulldogge. Sie ahnte zwar nichts, aber sabberte und mir zog sich der Magen zusammen. Als die Ampel auf Grün sprang, bretterten die Männer davon – und ich trug zwei Sommer keinen Rock beim Radfahren.
Wenn ich meine Schlagfertigkeit trainiere, vielleicht könnte ich solche Situationen besser an mir abprallen lassen oder den Mann gleich anzeigen, mindestens den Mittelfinger zeigen?
Das frage ich einen Freund, während ich wieder auf einem Fahrrad sitze und durch Brandenburg radle. Über dem Feld rechts steht die Sonne tief. Es wäre ein guter Tag für einen Rock. Er hat neulich bei der Arbeit an einem Schlagfertigkeits-Workshop teilgenommen, sagt er. Na klar, Berater kriegen beigebracht, wie man am besten kontert. Bevor ich lospöbeln kann, nehme ich die sinnvollere Abzweigung und entscheide mich dafür, möglichst viele Tipps abzugreifen.
Und, wie wird man schlagfertig, frage ich ihn. „Wenn dir zum Beispiel jemand sagt: Das war aber eine naive Frage, dann stellst du eine Gegenfrage.“ So was wie: Was ist Naivität für Sie? „Das ist entwaffnend“, sagt er. Klingt gar nicht so kompliziert.
Später schickt er mir das Handout des Workshops zu, dreißig Seiten Tipps, um seine verbale Rückhand zu trainieren. Schlagfertig sein bedeutet schnell zu reagieren (in maximal drei Sekunden), man muss spontan, mutig, treffend sein und manchmal auch etwas frech, lerne ich. Und dass die Hälfte aller Menschen auf überraschende Gegenfragen erst mal keine Antwort parat hat. So gewinnt man Zeit.
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Ich lese weiter. Wenn man angeschrien wird, soll man sagen: „Merken Sie eigentlich, wie laut Sie sprechen?“ Wenn jemand sagt, dass ich kompletten Quatsch erzählt hätte, soll ich antworten: „Das ist ja toll, dass Sie so kritisch sind.“
Nächster Tipp, man soll sich Instantsätze überlegen, die man wie Instantsuppen immer im Vorratsschrank hat und bei Bedarf aufwärmen kann. Das Beispiel: Auf die Gemeinheit „Na, sie abgebrochener Riese“, soll man sagen: „Lieber ein abgebrochener Riese als ein ausgebrochener Giftzwerg.“
Jetzt bin ich sehr froh, für diesen Kurs kein Geld ausgegeben zu haben. Uncooler kann man gar nicht kontern. Nicht jede schnelle Antwort ist automatisch schlagfertig. Die Männer an der Ampel hätten mich so sicher nicht ernst genommen.
Dann stehe ich in einem Nachtzug, der gerade den Bahnhof verlässt. Die anderen Fahrgäste und ich drängen uns in dem schmalen Gang vor den Abteilen, als ein Mann meint, unbedingt durchzumüssen. Er rammt mir seinen Rucksack in den Bauch. „Wo müssen Sie denn so schnell hin? Der Zug wird nicht ohne Sie losfahren“, sage ich zu ihm. Er glotzt zurück und schweigt. Dem hab ich’s gezeigt.
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