piwik no script img

Behördlicher Umgang mit WuchermietenHamburg wartet auf neue Gesetze, Frankfurt nicht

Die Linke fordert, dass der rot-grüne Hamburger Senat stärker gegen stark überhöhte Mieten vorgeht. Das Vorbild ist Frankfurt am Main.

Wo Mietwucher kaum behördlich verfolgt wird: Hamburg Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Die Hamburger Linke hat den Senat aufgefordert, effektiver gegen Mietwucher vorzugehen. In einem Antrag für die Bürgerschaft fordert die Fraktion, die existierenden gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und das Wirtschaftsstrafrecht konsequent anzuwenden. Vorbild ist aus Sicht der Linken die Stadt Frankfurt am Main, die Mietwucher in einer Vielzahl von Fällen verfolgt hat.

Mietwucher liegt laut Wirtschaftsstrafgesetz dann vor, wenn die verlangte Miete mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Mie­te­r:in­nen können rechtlich dagegen vorgehen. Die Zuständigkeit für die Verfolgung von Anzeigen liegt in Hamburg bei den Bezirksämtern. Diese können, wenn ein Verdacht vorliegt, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Ver­mie­te­r:in­nen einleiten.

In Hamburg gab es im Jahr 2021 vier Anzeigen von Wuchermieten, die bei den Bezirksämtern eingegangen sind – alle vier wurden wegen mangelnder Erfolgsaussicht eingestellt. Im Jahr 2024 gab es bislang drei Anzeigen. Weitaus erfolgreicher gegen Mietwucher wehrt sich Frankfurt: Dort wurden von 2020 bis 2022 in 1.400 Fällen die Miete gesenkt und 419.000 Euro Rückzahlungen an Mieter:in­nen durchgesetzt.

Der Mietverein zu Hamburg hat nach Auskunft seines Geschäftsführers Rolf Bosse jährlich circa 1.500 Anfragen zu potentiell überhöhten Mieten; 60 Prozent davon sind Verdachtsfälle für Wuchermieten. In 70 Prozent dieser Fälle kann der Mieterverein erfolgreich gegen die Ver­mie­te­r:in­nen vorgehen. In den meisten Fällen komme es zu einer außergerichtlichen Einigung. Bei den restlichen 30 Prozent der Fälle brauche es eine Anzeige. Allerdings verzichten die meisten Mie­te­r:in­nen darauf. Sie seien verunsichert und hätten Angst gegen ihre Ver­mie­te­r:in­nen vorzugehen, sagt Bosse.

Wer stellt die Strafanzeigen – Mie­te­r:in­nen oder Behörden?

Der Geschäftsführer betont, dass Wuchermieten nicht nur besser verfolgt werden müssten, sondern dass auch der Mieterschutz verstärkt werden müsse. Es sollte schwerer werden, Menschen wegen Zahlungsrückständen oder Eigenbedarf aus der Wohnung zu schmeißen. Zusätzlich sollte „die Verantwortlichkeit der Behörden gestärkt werden und die Verantwortung nicht beim Einzelnen bleiben“. Statt der Mie­te­r:in­nen sollte das Bezirksamt gegen ausbeuterische Ver­mie­te­r:in­nen vorgehen.

Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken, fordert, dass der Hamburger Senat ähnlich wie der Frankfurter Magistrat gegen Wuchermieten vorgeht. In Frankfurt übernehme eine Behörde die Ermittlungen und auch den Prozess, wenn nötig. Mie­te­r:in­nen müssen nur einen Verdachtsfall melden und nicht selber aktiv gegen ihre Ver­mie­te­r:in­nen vorgehen. Ziel der Linken sei es, ein an Frankfurt angelehntes Musterverfahren zu entwickeln.

Dass bislang kaum gegen Mietwucher in Hamburg vorgegangen wird, liegt laut der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen daran, dass es sehr große Hürden gibt, das Wirtschaftsstrafgesetz anzuwenden. Bevor es möglich sei, konsequent gegen Wuchermieten vorzugehen, müsse die Rechtslage verändert werden. Dafür setze sich Hamburg ein.

Dass ein Vorgehen gegen Wuchermieten trotz der aktuellen Gesetzeslage möglich ist, zeigt jedoch Frankfurt. Hier wird das Gesetz zum Vorteil der Mie­te­r:in­nen ausgelegt und erfolgreich angewandt. Trotzdem ist auch die in Frankfurt zuständige Behörde für eine Gesetzesänderung, die den Prozess erleichtern soll.

Auch Marco Hosemann, Vorsitzender der Linksfraktion in Hamburg Nord, kritisiert, dass „es zu wenig politischen Wille gibt, das Problem anzugehen“. Das Bezirksamt Nord habe auf seiner Homepage keine Informations- und Unterstützungsangebote zum Thema Wuchermieten, obwohl es zuständig sei für Anzeigen aus dem Bezirk.

Der Grundeigentümer-Verband Hamburg kennt das Problem der Wuchermieten, spricht jedoch von Einzelfällen, in denen Ver­mie­te­r:in­nen mehr Miete verlangen als zulässig. Bei seinen Mitgliedern weise er auf die rechtliche Lage hin und weise im Einzelfall darauf hin, dass eine Wuchermiete verlangt werde. Wie die Mitglieder jedoch nach der Beratung entscheiden, das könne der Verband nicht beeinflussen.

Zeitgleich mit ihrem Antrag hat die Linke im Internet einen Mietwucherrechner bereitgestellt, mit dem Hamburger Mie­te­r:in­nen ihre Miete überprüfen können. Fällt sie unter Mietwucher, kann das Ergebnis direkt an das zuständige Bezirksamt weitergeleitet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!