Begräbnis von Polens Staatspräsident: Bunte Mäntel in Krakau
Staatspräsident Lech Kaczynski in der Königsgruft des Krakauer Wawel-Schlosses beigesetzt worden. Weniger Polen als erwartet nehmen an der Trauerfeier in Krakau teil.
WARSCHAU taz | Der Himmel über dem südpolnischen Krakau leuchtete gestern wolkenlos blau. Doch zum Staatsbegräbnis von Präsident Lech Kaczynski und seiner Frau Maria hatten die meisten der ausländischen Gäste nicht anreisen können. Die Staubwolke aus einem seit Tagen wieder aktiven Vulkan aus Island hatte einen Flug in über 6.000 Meter Höhe unmöglich gemacht. "Ich weiß nicht, was das soll!", stöhnte Waldemar Nowak vor der Marienkriche in Krakau enttäuscht. "Boykottiert uns jetzt die westliche Welt? Wissen die vielleicht etwas, was wir noch nicht wissen?" Tatsächlich ist die Ursache für den Flugzeugabsturz der polnischen Präsidentenmaschine im westrussischen Smolensk vor einer Woche noch immer nicht geklärt.
Statt der erwarteten Million Polen kamen nur knapp 100.000 zur Trauerfeier nach Krakau. Zudem trugen sie zumeist bunte Mäntel und Jacken, keine schwarze Trauerkleidung wie die Warschauer während der ganzen letzten Woche. Viele Polen missbilligen die Entscheidung des Krakauer Kardinals Stanislaw Dziwisz, den gebürtigen Warschauer Lech Kaczynski in der Königsgruft des Krakauer Wawel-Schlosses beizusetzen. Kaczynski hat sich für Warschau verdient gemacht, indem er das Museum des Warschauer Aufstands 1944 bauen ließ. Mit Krakau verbindet ihn nichts. Der Wawel in Krakau gilt den Polen als Nationalheiligtum. Dort liegen Könige, Heilige und Nationalhelden, keine Präsidenten.
Ganz anders wirkte die Trauerfeier am Tag zuvor in Warschau. Punkt 8.56 Uhr heulten in ganz Polen die Sirenen, Glocken läuteten Sturm. Auf den Straßen blieben die Menschen stehen, Autos hielten an, ebenso Busse und Straßenbahnen. Lautlos öffneten sich die Türen, und alle stiegen aus, Frauen, Männer, auch Kinder. Sie senken den Blick und verharrten zwei Minuten in völliger Stille. Am Samstag vor genau einer Woche war um 8.56 Uhr die Maschine mit Polens Präsidenten und seiner Frau an Bord sowie weiteren 94 polnischen Politikern, Geistlichen und hohen Beamten in Russland abgestürzt. Niemand hatte überlebt. Auf dem Pilsudski-Platz in Warschau versammelten sich rund 100.000 Menschen aus ganz Polen. Dieser Platz im Zentrum Warschaus hat für das heutige Polen eine besondere Bedeutung. Auf seiner ersten Heimatvisite im Jahre 1979 hielt Papst Johannes Paul II. hier eine historische Predigt. Er machte den Polen Mut. Sie sollen nicht verzweifeln, sondern solidarisch gegen das kommunistische System zusammenhalten. Dann werde ihnen Gott helfen.
An diese erinnerte Bronislaw Komorowski, Polens Parlamentspräsident, der seit dem Tod Lech Kaczynskis kommissarisch die Pflichten des Staatsoberhaupts übernommen hat: "Die Worte unseres Papstes wurden erhört. Weniger Jahre nach seiner Predigt erblickte das freie Polen das Licht der Welt." Viele der Trauernden in Warschau nickten zustimmend. Unter den Toten der Unglücksmaschine waren etliche, die in der Freiheitsbewegung Solidarnosc gekämpft hatten. Jetzt sahen sie von großen Fototafeln auf die Trauernden herunter, lächelnd, sogar fröhlich, aber in Schwarz-Weiß. Vor einer Woche hatten sie noch gelebt.
"In diesen für unser Vaterland schwierigen Tagen sind wir nicht allein", tröstete Komorowski die Trauernden. "Wir danken den Bürgern Russlands, die uns Polen spontan ihr Mitgefühl zeigten." Das Wissen über Katyn, an dem 1940 der stalinistische Geheimdienst tausende polnische Offiziere ermordet habe, habe sich durch das Unglück in alle Welt verbreitet. "Polen durften über viele Jahre nicht über Katyn sprechen, und die, die es doch wagten, wurden verfolgt und ins Gefängnis geworfen", erinnerte er. Kaczynski und seine Delegation hätten sich auf den Weg nach Katyn gemacht, um an die Wahrheit zu erinnern. Dabei seien sie tragisch gestorben. Die Trauerfeier für alle 96 Opfer des Flugzeugunglücks endete mit einer Heiligen Messe unter freiem Himmel.
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