Begräbnis der Queen: Monarchie und Alltag
Nun ist Queen Elizabeth II. zu Grabe getragen worden. Was machte ihre lange Herrschaft als Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs besonders?
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D as Ableben von Queen Elizabeth II. hat weltweit nicht nur unerwartete emotionale Reaktionen ausgelöst, sondern auch einen Impuls, einen Drang, einen Zwang zum persönlichen Bekenntnis. Selbst das britische Parlament hat sich in der Zeit der Staatstrauer in eine Art protestantische Gemeinde verwandelt.
Hier soll die Rede von Ex-Premierminister Boris Johnson dokumentiert werden. Nicht nur weil sie exemplarisch ist für diesen erstaunlichen Drang, sondern auch als scharfe Skizze von dem, was eine konstitutionelle Monarchie ist. Lassen wir den konservativen Politiker sprechen:
„Millionen versuchen zu verstehen, warum sie so ein tiefes, persönliches, nahezu familiäres Gefühl von Verlust haben.“ In der Tat, es ist genau das, was die Beobachter:Innen sprachlos macht. „Vielleicht rührt es zum Teil daher, dass die Queen immer da war. Ein unveränderlicher humaner Referenzpunkt im britischen Alltagsleben.“
Auf jedem Geldschein
Und der Tory führt gleich aus, was ein solcher „humaner Referenzpunkt“ bedeutet: „Die Person zu sein, der weltweit so sehr vertraut wird, dass ihr Antlitz auf jedem unserer Geldscheine und Münzen, auf allen aufgegebenen Briefmarken sein sollte. Die Person, in deren Namen alles Recht ausgeübt wird, jedes Gesetz verabschiedet, die Person, welcher jeder Minister der britischen Krone Treue schwört. Und auf die jedes Mitglied unserer Streitkräfte verpflichtet wird, wenn notwendig mit seinem Leben.“
Wir halten fest: Die britische Monarchin ist in Bild und Name – ein Spiegel, in dem sich die Gesellschaft ansehen kann. In diesem Sinne ist der Referenzpunkt also ein symbolischer.
Human aber ist er, weil die Queen „die lebendige Verkörperung der Geschichte, der Kontinuität und der Einheit dieses Landes ist, die Hauptfigur unseres ganzen Systems“. Natürlich erinnert das an die – übrigens britische – Theorie der „zwei Körper des Königs“, wonach der Monarch in seiner leiblichen Existenz die Einheit des Volkes inkarniert.
Rein formaler Bezugspunkt
Man muss aber vor einer vorschnellen Analogie warnen, denn diese juristische Fiktion des Mittelalters bezog sich auf einen Monarchen, der tatsächlich die Macht im Staate innehatte. Die Queen hingegen war nur noch ein Restbestand dieser alten Macht, ein politisch leerer, ein rein formaler Bezugspunkt.
Eine Rolle, die Elizabeth II. nur erfüllen konnte, da ihr vertraut wurde, so Johnson, „jenseits jeder politischen Partei und jenseits jedes kommerziellen Interesses zu stehen und das Konzept ebenso wie das Wesen der Nation unparteiisch zu inkarnieren“. Hier sieht Johnson nicht nur großzügig über den finanziellen Ausgleich hinweg, mit dem diese Unparteilichkeit honoriert wurde.
Er benennt auch deutlich, worauf die konstitutionelle Monarchie gründet: darauf, dass das Oberhaupt des Staates, der Spiegel der Gesellschaft, dieser Gesellschaft äußerlich ist. Das Oberhaupt ist nicht Teil des Volkes. Die Windsors werden ausgesondert und geben diese Position durch Geburt weiter.
Konservative Einheit
Johnson mag diese Position jenseits der Auseinandersetzung beschwören, seine Rede hingegen ist alles andere als unparteiisch: Sie konstruiert eine konservative Einheit, einen Konsens mittels der Royals – zu der die Tories aber einen privilegierten Zugang haben. Eine perfekte Darstellung der bürgerlichen Hegemonie.
Und wenn die Royals diese Funktion eines „Schlusssteins des Staatsgewölbes“ heute nur noch formal, nur als Restbestand erfüllen, dann sichern sie damit aber auch eine Art historische Kontinuität. Ob als Erinnerung oder als Folklore. Gerade die Queen erfüllte diese Aufgabe über sieben Jahrzehnte, durch die „unglaubliche Dauer ihres Dienstes“: Je länger ihre Regentschaft andauerte, desto glaubwürdiger verkörperte sie das, wofür sie stand: die historische Kontinuität.
Und zum Schluss kam Johnson noch auf eine Besonderheit der Queen zu sprechen: ihre Bescheidenheit, „ihren Elektrokamin, ihren Hang zur Tupperware“. All die Anekdoten, die derzeit die Runde machen, zeigen eines: Es war gerade dieses Augenzwinkern, diese Distanz zu ihrer Funktion, die es ihr erlaubte, ihr Amt so gut auszufüllen. Nur weil sie sich als Funktionsträgerin sah, sich als Person also nicht mit der Königin verwechselte – nur darum war sie so eine überzeugende Queen.
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