: Begleitgeräusch
■ Klaus Kreimeier hat sich zu einem "Lob des Fernsehens" durchgerungen, das bei näherem Hinlesen wohl doch keines ist
Das Buch, das so beredt von Bildern berichtet, hat selbst keine. Nur auf dem Umschlag zeigt es den „Kasten“, von dem es handelt. Sein Bildschirm ist leer bis auf einen Blitz, der die Mattscheibe durchzuckt, und sein Gehäuse wirft seltsame Blasen. Ganz so, als ob es lebt. Die Worte darunter – „Lob des Fernsehens“ – sind hierzulande immer noch eine Provokation. Fernsehen guckt man, dem Fernsehen erliegt man, am Fernsehen nimmt man teil. Aber das Fernsehen lobt man nicht. Schon gar nicht in Buchform.
Nun stehen sie da, diese Worte, ein bißchen stolz auf ihre Kühnheit, aber damit hat sich's dann auch schon. Keine Beschreibung folgt über das Vergnügen der Talk- Show-Rezeption, kein Schlenker über den fröhlichen Erkenntniswert einer ausgedehnten abendlichen Zapping-Sause durch das Kabelnetz. Vor Etikettenschwindel muß gewarnt werden.
Was Klaus Kreimeier sich tatsächlich abringt an Lob, ist verhalten, oft nur eine vage Hoffnung auf die Zukunft. Getrieben vor allem von dem Willen, sich von der gängigen Vulgärkritik abzugrenzen. Das, natürlich, ist durchaus lobenswert. Aber nur weil all die Post- und Mythenmänner dumm verachten, muß man ja selbst noch nicht gleich klug verschwiemeln. Da lugt, so möchte man vermuten, die gute alte Vulgärkritik wieder an der Hintertür.
Wenn der Autor den „Angriff der Elektronik“ konstatiert, „auf jene archaischen Reste unserer Lebenszeit, die noch nicht von Elektronik verschlungen wurden“, dann beschreibt er einen Zustand, der schwer zu loben wäre. Ein „Lob des Fernsehens“, welches in bloße Affirmation dessen mündet, was halt geschieht, wäre am Ende nur Langeweile. Das weiß ein guter Essayist wie Kreimeier. Ein Widerspruch zieht sich durch sein Buch. Strukturelle kritische Analyse einerseits, sorgsam beobachtete Oberfläche andererseits. Als „das, was geschieht“ eben. Das könnte spannend werden, doch ach, der Widerspruch darf kaum zum Ausbruch kommen. Kreimeier geht der Kollision seiner Akzeptanz mit seiner Fundamentalkritik aus dem Weg, so wie der vulgäre postmansche Medienkritiker die allzu unkontrollierte Begegnung mit dem eigenen Fernsehvergnügen meidet.
Zudem bleibt hier das Medium eine große, ungreifbare, nicht entzauberbare Maschine, gefräßig und schamlos. Damit droht Kreimeier genau dem Vorschub zu leisten, wovor er warnt: der Verdunkelung der Sichtbarkeit des TV zum Mythos. Das konsumistische Grundrauschen aus dem Kasten mit all den exakt beschriebenen Wirkungen bleibt hier Ergebnis eines Selbstlaufs der technischen Dinge, der nur unbewußte Objekte kennt, nicht Gestalter und Verwalter. Die brillant hergeleiteten Thesen verbinden sich kaum zur Theorie, die exakt herausgearbeiteten strukturellen Parallelen von Fernsehen und Konsumgesellschaft werden nicht gebündelt. So sitzen wir in unserer „unwohnlich gewordenen Welt, durch welche die Medienorkane sausen“, lauschen hier aufs Grundrauschen, dort aufs intellektuelle Begleitgeräusch aus Kreimeiers Feder, dieses „Rückszugsgebrabbel der Wortkultur“. Es ist ein angenehmes Geräusch, im eleganten Ton einer genauen essayistischen Prosa, die den des Grundrauschens treffen könnte. Aber wir hören nur die inneren Dissonanzen des „transitorischen Intellektuellen“, dessen Rolle man uns anempfiehlt. Ein kleines bißchen hoch tönt das. Lutz Meier
Klaus Kreimeier: „Lob des Fernsehens“. Carl Hanser Verlag, München 1995, 39.80 DM
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