Beginn des Wahlkampfs in Berlin: Wer wählt Giffey?
Fünf Wochen sind es noch bis zur Wiederholungswahl. Klare Favorit*innen gibt es nicht. Die große Frage ist: Wie beliebt ist die Amtsinhaberin?
D ie Taktik der Berliner SPD im Wahlkampf ist eindeutig: Sie setzt voll auf die Amtsinhaberin. Franziska Giffey soll und muss es am 12. Februar wuppen und dafür sorgen, dass das Rote Rathaus seinem Namen auch im übertragenen Sinn weiterhin alle Ehre macht. Bisweilen reicht diese Giffeyfixierung bis ins Kitschige hinein: „Unsere Regierende“ steht neben einem Foto von ihr auf einem der Plakate, die die SPD zu Wochenbeginn vorgestellt hat.
Das wirft die große Frage dieses Wahlkampfs auf: Ist Giffey wirklich die Regierende der Berliner*innen? Oder polarisiert sie derart, dass allein ihr Anblick Wählende in andere Lager treibt? Etwa zu dem nicht sonderlich bekannten CDU-Chef Kai Wegner, der auf gute Umfragewerte für die Bundespartei als Unterstützung hoffen muss, oder der grünen Bettina Jarasch, die als recht präsente Verkehrssenatorin immerhin die niedrigsten Bekanntheitswerte hinter sich gelassen hat.
Tatsächlich äußern weiterhin viele Menschen mit anderen Parteipräferenzen als die SPD eine klare Abneigung gegenüber Giffey. Das mag mit der Affäre um ihren aberkannten Doktortitel zusammen hängen, auch mit ihrem Auftreten oder der Schwierigkeit, sie politisch einzuordnen. Im Wahlkampf 2021 blinkte die damals frisch zurückgetretene Bundesfamilienministerin deutlich rechts, etwa mit Forderungen nach autofreundlicher Politik, und distanzierte sich damit teilweise von der rot-rot-grünen Koalition ihres Parteikollegen Michael Müller.
Nach der Wahl musste sie allerdings die Koalition mit Grünen und Linken fortsetzen. Ihr Wunschbündnis war das nicht – Giffey wollte eine Ampel oder eine Deutschlandkoalition mit CDU und FDP. Doch der Druck auch aus der eigenen Partei war zu groß. In diesem Wahlkampf versucht die SPD nun, den Begriff Verkehrswende, den die Grünen glaubten, gepachtet zu haben, zu ihren Gunsten zu wenden.
Zwar werde es immer Menschen geben, die aufs Auto angewiesen seien, betonte Giffey am Montag, etwa Handwerker*innen oder Menschen mit Handicap. Es brauche eine „Vielfalt der Mobilität“, sagte sie, und bezog dabei explizit die Forderungen von Radfahrenden nach mehr Sicherheit mit ein. Zudem will sie mit dem 29-Euro-Ticket, der Berliner Fortsetzung des 9-Euro-Tickets, Wähler*innen der Grünen umgarnen.
CDU, SPD und Grüne in Umfragen gleichauf
Derzeit liegen die drei stärksten Parteien, CDU, SPD und Grüne, laut mehreren Umfrageinstituten bei jeweils rund 20 Prozent. Angesichts der Fehlertoleranz von 3 Prozentpunkten nach oben oder unten ist also alles drin. Das bedeutet aber auch: Es ist noch lange nichts entschieden, wie auch Wahlforscher Thorsten Faas, Professor für politische Soziologie am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität, erklärt. Bei Wahlen zu den Landesparlamenten gebe es häufig erhebliche Verschiebungen auf der Zielgeraden, sagte Fass der RBB-Abendschau.
Ein oder zwei grobe Schnitzer der Spitzenkandidat*innen können also schwerwiegende Folgen haben. Auch kann es sein, dass Giffey ihren Amtsbonus – die schlichtweg größere Bekanntheit – stärker ausspielen kann, je näher der Wahltermin rückt. Es dürfte also ein kurzer, aber harter, intensiver Wahlkampf werden.
Fast jeder Zweite macht Briefwahl
Es gibt noch eine weiteres Fragezeichen in dieser an unsicheren Faktoren reichen Situation: Ein guter Teil der Wählenden hat die Stimme schon abgegeben, wenn der Wahlkampf auf die Zielgerade geht. Seit 2. Januar ist Briefwahl möglich, Landeswahlleiter Stephan Bröchler geht davon aus, dass mehr als 40 Prozent der Abstimmenden diese Möglichkeit nutzen.
Je früher aber die das tun, umso mehr läuft selbst die beste Wahlkampagne ins Leere: Wer schon abgestimmt hat, kann sich zwar noch durch einen genialen Auftritt oder peinlichen Patzer beeindrucken lassen, die Wahlentscheidung aber nicht mehr ändern.
Vor diesem Hintergrund hat die SPD und Giffey eigentlich keine andere Option, als auf die eigenen Stärken und die eigene Spitzenkandidatin zu setzen – wohlwissend, dass sie damit auch andere mobilisieren, die eben nicht für die Regierende stimmen.
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