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Begegnung mit US-Weirdo Ariel PinkSchlafzimmer-Imperialismus

Er besingt die Songs der anderen aus seiner Sicht. Eine Begegnung mit dem kalifornischen Pop-Epigonenking Ariel Pink.

Hollywood Babylon: Ariel Pink Foto: Eliot Lee Hazel

Da sitzt er mit einem T-Shirt, auf dem Figuren der Trickfilmserie „The Simpsons“ abgebildet sind. Ariel Pink trägt dazu Plateausohlen, die Haare blondiert, die Haut talgig, leicht aufgeschwemmt. Pink gibt – im ehemaligen Büro der Band Rammstein of all places – Interviews, um für sein neues Album „Dedicated to Bobby Jameson“ die Werbetrommel zu rühren. Er ist gerade erst aufgewacht, noch etwas verschlafen, wortkarg, muss sich erst sammeln.

Beim Anblick des 39–jährigen Kaliforniers kann man an die Dokumentation „The Decline of Western Civilization“ der Filmemacherin Penelope Spheeris denken. Ihr Porträt von KünstlerInnnen der Punkszene von Los Angeles 1980 zeigt Menschen am Rande der Gesellschaft. Teils haben sie sich mit den Umständen ihrer Außenseiterposition arrangiert, münzen sie kreativ um, teils stellen sie ihre Wut offen und äußerst destruktiv zur Schau. Groß ist der Hass auf die achtziger Jahre, obwohl die gerade erst angebrochen sind. Es geht bergab, wie der Filmtitel schon sagt, aber es klingt einfach super.

Ariel Pink tritt kreativ fast schon wollüstig auf der Stelle. Als Ariel Rosenberg wuchs er in Beverly Hills auf, besuchte die Kunsthochschule Cal Arts, lebte und arbeitete sein ganzes bisheriges Leben in Los Angeles, weder für San Francisco noch für New York hat er etwas übrig. Ihn interessiert einzig und allein Leben und Sterben in L. A. Er bezeichnet die Stadt als Wasteland.

Burger, Lollipop und Hot Dogs

„Früher gab es wenigstens Burger Records, Lollipop Records und Hot Dog Records. Heute gibt es keine unabhängigen Labels mehr. Selbst die Filmindustrie hat mit Netflix Konkurrenz bekommen. Ein paar Multis sind noch hier: Interscope, Warner Brothers, Capitol. Hätte ich es etwa bei denen versuchen sollen? No Way!“

Ariel Pink unternimmt mit seiner eigenen Musik Fantasie-Spritztouren durch die Popgeschichte von L. A., streift flamboyante und kontroverse Bands und Künstler von The Doors über The Seeds, Harpers Bizarre, Kim Fowley bis zu hin Wall of Voodoo und die Punkband The Germs. Seine Songs sind offensiv epigonal. Er tut nicht so, als müsste er sich von seinen Vorbildern lösen, sein eigenes Material besteht aus den Geschichten und Elementen der anderen. Genau damit erfüllt er sich eine Art Bedroom-Popstar-Traum. Die HörerInnen sollen teilhaben an seinen „Bubblegum Dreams“, so ein neuer Songtitel. Er sei ein „Dreamdate Narcissist“, auch das ist ein Song, in dem er sich fortwährend selbst so bezeichnet.

Ariel Pink holt tief Luft.

„Revivals kommen mir so vor, als seien sie vor fünf Minuten schon wieder vorbei gewesen. Sobald die Luft raus ist, eignen sie sich umso perfekter für mich, weil ich nie ein angesagter Typ sein werde. Ich bin vollkommen irrelevant! Ich komme immer zu spät. Wenn andere beklagen, dass die Achtziger nie aufhören, dann fängt für mich der Spaß erst an. Ich liebe Musik aus den achtziger Jahren, genauso Musik aus den Sechzigern und den Siebzigern. Ein weites Feld. Ich werde jetzt nicht rappen, aber ich habe diesmal sogar einen Vocoder benutzt, mein Sound wandelt sich. Das Einzige, was an mir retro ist: Ich versuche Musik zu erschaffen, wie ich sie als Fünfjähriger gehört habe.“

Das Album

Ariel Pink: „Dedicated to Bobby Jameson“ (Mexican Summer/Al!ve), ab 15.09.2017.

Billiger Abklatsch peinlicher Lieblingslieder

Es gibt Momente, da könnte man Ariel Pink mitsamt seinen Songs zum Fenster rausschmeißen. Und es gibt Tage, da funk­tio­niert seine schlechte Kopie von anderen schlechten Kopien. Da fasst einen Pinks billiger Abklatsch peinlicher Lieblingslieder frontal an und erzwingt eine Reaktion. Sein Sinn für eingängige Melodien ist zweifelsohne vorhanden. Aber er wirkt vielfach gefiltert und gedämpft. Das In-your-Face-Mäßige von amtlichem Pop und seine Fixierung auf den Rhythmus sei für ihn schlicht „Klang-Machismo“.

Wie ist es möglich, dass in Ariel-Pink-Songs hässliche und schöne Melodien gleichberechtigt nebeneinanderstehen? „Für mich sind diese Melodien nicht schön, sie klingen nur hässlich. Sie entsprechen dem Halbseidenen von Los Angeles. Den Pornostars. Vielleicht drehe ich auch nur den Spiegel um. Ich übernehme einfach Klischeevorstellungen von Los Angeles. Das haben meine Fans anfangs von meiner Musik behauptet, obwohl ich es nie drauf angelegt habe. Vielleicht klinge ich inzwischen wirklich so abgefuckt wie L. A.“

Auf dem Cover sieht man das verfremdete Negativ einer Fotografie, Ariel Pink wandelt auf einem Friedhof. „Time to meet your God / Time to kill your god / Time to eat the Lord alive“, singt er im Auftaktsong „Time to meet your God“.

„Ich singe gern über Dinge, über die man lieber schweigt. Dass Gott gleich im ersten Song auftaucht, bringt hoffentlich alle Atheisten auf die Palme. Sie fahren ja ohnehin zur Hölle, weil sie sich weigern, über Gott nachzudenken. Und ich schmeiße ihnen Gott einfach vor die Füße. Hahaha!“

Wahrsagerinnen am Sunset Boulevard

Mich provoziert das nicht die Bohne. „Warum nicht, sind Sie ein Ungläubiger?“ Eher Agnostiker. Langsam gerät Ariel Pink in Rage. Sein blasse Haut bekommt rote Flecken. „Was ich mit dem Song sagen will. Allah ist Jehova ist Gott, der wiederum mit Jesus spricht. Er ist ein und der derselbe.“ Plötzlich wirkt der kalifornische Künstler wie einer dieser unzähligen WahrsagerInnen, die am Sunset Boulevard kleine Läden führen. Aus denen der Duft von Räucherstäbchen dringt. Eine Nachwirkung der Hippiekultur der sechziger Jahre.

Plötzlich wirkt er wie die Wahrsager in den kleinen Läden am Sunset Boulevard

„Dedicated to Bobby Jameson“, das Album und den Titelsong hat Ariel Pink dem Künstlerkollegen Bobby Jamerson gewidmet. Jameson ist ein LSD-Opfer der Sechziger, zeitweilig wurde er „der Bürgermeister vom Sunset Boulevard“ genannt. In den Sechzigern komponierte er für sich und andere Hits, fiel bald durch den Rost der Plattenindustrie, geriet in Vergessenheit, wurde drogensüchtig und lebte zeitweilig als Obdachloser.

Schließlich begann er in den nuller Jahren einen Blog und veröffentlichte eine Biografie, seine Lebensgeschichte. „Ich sehe Parallelen zu meiner ­Karriere. Als ich jünger war, fühlte ich mich verkannt, genauso wie Jamerson. Ich denke, er konnte am Ende triumphieren, weil er es geschafft hat, die Geschichte aus seiner Sicht aufzuschreiben, eher ungewöhnlich für Musiker.“ Ariel Pink hat gut lachen. Er besingt die Geschichten der anderen aus seiner Sicht.

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