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Bedrohtes PustelschweinArme nützliche Sau

Das Pustelschwein ist Zootier des Jahres. Glückwunsch! Wobei: Wie so oft bedeutet ein solcher Titel nichts Gutes für die Spezies selbst.

Das Visayas-Pustelschwein Foto: Axel Seidemann/dpa

Die älteste bekannte Zeichnung der Menschheitsgeschichte zeigt ein Wesen mit schweineförmigem Körper, schwarzem Fell, einem markanten Irokesenkamm auf dem Nacken sowie dicken Pusteln am Kopf. Klare Sache: ein Pustelschwein! 2021 veröffentlichte ein internationales Forschungsteam die Entdeckung dieser Höhlenzeichnung von der indonesischen Insel Sulawesi, deren Alter auf mindestens 45.500 Jahre bestimmt wurde. Mensch und Pustelschwein verbindet also eine lange und intensive Beziehung – die für das Schwein allerdings ausgesprochen toxisch ist.

Pustelschweine bewohnen die Regenwälder Südostasiens. Auf vielen Inseln der Region haben sie sich zu eigenständigen Arten entwickelt. Im Ökosystem spielen sie eine Schlüsselrolle. Durch ihr beständiges Wühlen halten sie den Boden locker, sorgen für die Verteilung von Früchten – und sind schmackhafte Leckerbissen für größere Tiere. Ein Vorzug, den auch Menschen zu schätzen wissen. Mit zunehmender Bevölkerung wuchs der Jagddruck. Noch problematischer ist die rasante Entwaldung. Das Visayas-Pustelschwein von den Philippinen galt schon als ausgestorben, weshalb Artenschützer aus europäischen Zoos in den 1980ern eine Suchaktion anleierten.

Die meldete bald einen halben Erfolg: ein Hybrid wurde entdeckt. Frei herumlaufende Hausschweine paaren sich nämlich mit den Pustelschweinen und tragen so zu ihrem Verschwinden bei. Am Ende war der Restbestand auf wenige hundert Tiere geschrumpft. In einer beherzten Aktion wurden einige dutzend Schweine eingefangen und in Zoos nach Europa sowie in Zuchtstationen vor Ort umgesiedelt, wo sie seither fröhlich für eine erfreuliche Zahl von Ferkeln gesorgt haben.

Aber jetzt bedroht die Afrikanische Schweinepest die Letzten ihrer Art – in der Natur ebenso wie in ihrem Zoo-Asyl, wo sie den Seuchenschutzmaßnahmen zum Opfer zu fallen drohen. Auch um auf diese Notlage aufmerksam zu machen, ist das Pustelschwein von der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz nun zum „Zootier des Jahres“ gekürt worden. Damit sich überhaupt mal eine Sau für das Schicksal der armen Schweine interessiert. Heiko Werning

Mehr zum Pustelschwein: Heiko Werning/Ulrike Sterblich: „Von Okapi, Scharnierschildkröte und Schnilch – ein prekäres Bestiarium“, Galiani, 240 Seiten, 22 Euro

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2 Kommentare

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  • Die Seuchenschutzmaßnahmen gegen die Afrikanische Schweinepest sind teilweise fragwürdig, zumal es sich um eine Krankheit handelt, die dem Menschen nicht gefährlich werden kann. Wenn trotzdem Wildschweine bejagt werden, als würde man Krieg gegen sie führen, wenn man Hausschweinebestände im Zweifelsfall in Massen zu keulen bereit ist, wenn man nun sogar um die letzten Zoobestände bedrohter Arten fürchten muss, muss man sich doch fragen, ob die gegenwärtigen Maßnahmen gegen die Afrikanische Schweinepest nicht mehr Schaden anrichten als die Seuche selbst. Vielleicht gäbe es da bessere Ansätze: Wie steht es eigentlich mit der Impfstoffforschung? Die Europäische Schweinepest wurde ja schließlich mit Ködern zur Schluckimpfung der Wildschweinbestände erfolgreich zurückgedrängt, soweit ich weiß.

  • Interessanter Beitrag!



    Was habe ich jetzt im Ohr?



    Der vegane Schnilch



    www.youtube.com/watch?v=V7xL9oFA-Fk



    Tolles Bild. Tolle Stirnlocke.



    flickr.com/photos/...Za-25g8rg6-25g8rhi