: Becks lässt England hoffen
Mit dem 1:0 gegen Argentinien öffnet sich die Tür zum Achtelfinale für die Engländer um ein beträchtliches Stück, der WM-Favorit aus Südamerika muss hingegen plötzlich bangen
BERLIN taz ■ Es war nur ein läppischer Elfmeter, keiner seiner gezirkelten Freistöße oder sonstigen Kunstschüsse, doch kaum hatte David Beckham den Ball in der 44. Minute des Spiels gegen Argentinien mit der ganzen Gewalt seines rechten Fußes zum 1:0-Siegtreffer ins Tor gejagt, brach eine ganze Flut von Emotionen aus ihm heraus. Stolzbrüstig zeigte er dem Publikum die auf der Vorderseite seines Trikots befestigte Nummer: Seht her, ich war’s, die Sieben, David Beckham. Dabei schrie sich „Becks“ den Frust vergangener Tage von der Seele, den Fußbruch kurz vor der WM, und natürlich sein dunkelster Moment, der Platzverweis vor vier Jahren, gegen eben jene Argentinier, der England das WM-Aus und ihm anhaltende Schmähungen in der Heimat eingebracht hatte.
Das Duell der beiden Fußballer mit der auffälligsten Haartracht war zu diesem Zeitpunkt schon entschieden. Nicht die traditionalistischen Modelle David Seaman und Ariel Ortega natürlich, sondern ihre Nachfahren Juan Verón, der Glatzkopf, und David Beckham, der Mann mit dem Saurierkamm. Die zwei Teamkollegen von Manchester United hatten den Briten vor der gestrigen Partie, in welcher der Zwang zum Siegen durch den Schwedenerfolg über Nigeria noch größer geworden war, die meisten Sorgen bereitet. Der Negativruck, der das englische Team beim 1:1 gegen Schweden durchzuckt hatte, als Beckham den Platz verließ, war nicht ohne Schockwirkung geblieben und die bange Frage hieß: Würde er diesmal durchhalten? Auf der anderen Seite grassierte die Furcht vor Verón, an dem die Medien während seiner Saison mit United zwar kein gutes Haar gelassen hatten, dessen Pässe und Ideen sie aber jetzt mehr fürchteten als jeden Batistuta oder Ortega. Am Ende war ein Aufatmen: Beckham hielt durch, Verón jedoch wurde schon zur Halbzeit ausgewechselt. Symptomatisch für die gesamte Partie.
„Wenn wir so spielen wie gegen Nigeria, gewinnen wir“, hatte Verón gesagt. Doch Argentinien spielte nicht wie beim 1:0 gegen Nigeria, sondern viel defensiver und ohne die übliche Dominanz im Mittelfeld. Die Vorsicht der Argentinier war ein unverhoffter Glücksfall, den die Engländer und vor allem Michael Owen bereitwillig zu ihren Gunsten nutzten. Der Liverpooler war es auch, der den von Beckham verwandelten Elfmeter provozierte.
Erst nach der Pause reagierte Argentiniens Coach Bielsa und sorgte mit der Einwechslung von Aimar, Lopez und Crespo dafür, dass sein Team endlich die Initiative gegen die erlahmenden Briten übernahm. Zu spät jedoch, um noch den Ausgleich zu schaffen. „In einem solchen Spiel zeigt sich, wer groß ist und wer nicht“, hatte Englands Coach Eriksson seinen Leuten vor dem Alles-oder-nichts-Match mit auf den Weg gegeben. Ein Spruch, den sich nun der WM-Favorit aus Argentinien, der am Mittwoch einen Sieg gegen Schweden braucht, in die Kabine nageln darf. MATTI LIESKE
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