Becherwurf-Skandal am Millerntor: St.Pauli soll ins Geisterspiel
Der DFB-Kontrollausschuss fordert ein hartes Strafmaß: St. Pauli soll am Ostersamstag gegen Werder das erste "Geisterspiel" der Bundesliga-Geschichte bestreiten. Der Verein wehrt sich vehement.
HAMBURG dpa | Mit dem ersten "Geisterspiel" in der Bundesliga-Geschichte soll der FC St. Pauli für den Becherwurf-Skandal am Millerntor büßen. Nach dem Willen des DFB-Kontrollausschusses soll die Partie gegen Werder Bremen am Ostersamstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen werden, weil das Spiel gegen Schalke 04 am vergangenen Freitag nach einem Bierbecherwurf gegen den Linienrichter abgebrochen worden war. Dieses Strafmaß beantragte der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Donnerstag und stieß damit auf vehementen Widerspruch bei den Hamburgern.
Der Kiezclub stimmte dem Antrag nicht zu und fordert stattdessen eine Geldstrafe, die laut Teammanager Christian Bönig auch "gut dotiert" ausfallen könne. "Konkret wirft der Kontrollausschuss dem Verein mangelnden Schutz des Schiedsrichter-Assistenten und fortgesetztes unsportliches Verhalten vor", hieß es in einer Pressemitteilung des Verbandes. An diesem Freitag will das DFB-Sportgericht das Urteil im Einzelrichter-Verfahren fällen.
"Der Verein hat die Verantwortung für alle Zuschauer, trägt an dem Becherwurf aber keine Schuld. Wir verurteilen das, sehen uns aber nicht als Schuldige. Der Täter ist eine Einzelperson, gehört keiner Fangruppe an, ist nicht organisiert somit nicht über intensive Fanarbeit zu erreichen", sagte Bönig und versicherte, es handele sich um eine Affekthandlung und nichts Geplantes. Bönig: "Wir schlagen dem DFB vor, eine angemessene Geldstrafe mehreren gemeinnützigen Projekten zukommen zu lassen."
Die Gegenwehr des FC St. Pauli kommt überraschend, da Manager Helmut Schulte zu Wochenbeginn angekündigt hatte, jede Strafe zu akzeptieren. Mittlerweile sehen die Hamburger, die auf einem Abstiegsplatz stehen und jede Unterstützung in den restlichen beiden Heimspielen benötigen, die Heimkulisse als unverzichtbar an. "Es wäre bedauerlich, wenn wir in so einem wichtigen Spiel ohne unsere Zuschauer auskommen müssten", sagte Trainer Holger Stanislawski.
Zudem müssten den Zuschauern für das bereits ausverkaufte Spiel im Millerntor-Stadion die Ausgaben erstattet werden. In der Wirtschaftsbilanz des Clubs würde plötzlich ein Minus von rund einer Million Euro klaffen.
Bereits am Dienstag war die beim Stand von 0:2 in der 88. Minute abgebrochene Partie mit 2:0 für die Schalker gewertet worden. Ein inzwischen identifizierter St.-Pauli-Fan hatte am Freitagabend Linienrichter Thorsten Schiffner mit einem vollen Bierbecher im Nacken getroffen und verletzt. Daraufhin beendete Referee Deniz Aytekin die Partie vorzeitig. Den 43 Jahre alten Tatverdächtigen erwartet eine Schadenersatzklage des FC St. Pauli.
Der Kontrollausschuss bewertete auch weitere Wurfattacken während der Partie. In der ersten Halbzeit sei "ein Feuerzeug in Richtung Thorsten Schiffner geworfen worden, in der zweiten Halbzeit waren mehrfach Münzen aus dem Zuschauerbereich in Richtung des Schiedsrichter-Assistenten Holger Henschel geflogen", hieß es in der DFB-Mitteilung. Auch beim Verlassen des Rasens nach Spielende seien Gegenstände in Richtung des Schiedsrichter-Teams geworfen worden.
Bei einem ähnlichen Vorfall am 25. Oktober 2006 wurde der Linienrichter im Pokalspiel der Stuttgarter Kickers gegen Hertha BSC von einem Gegenstand am Kopf getroffen. Nach dem abgebrochenen Match musste Stuttgart 10 000 Euro Strafe zahlen und ebenfalls eine Partie ohne Zuschauer bestreiten.
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