Bebauung der Bremer Galopprennbahn: Fast vergaloppiert
Bremens rot-grüne Koalition konnte sich nicht auf den Vorschlag einigen, mit einem zweiten Volksentscheid der Bürgerinitiative Rennbahn entgegenzutreten.
![Pferde und Jockeys beim Rennen auf der Galopprennbahn in der Vahr. Pferde und Jockeys beim Rennen auf der Galopprennbahn in der Vahr.](https://taz.de/picture/3249293/14/ir_enginepl.jpeg)
Wegen der Fristen ist das erforderlich, damit der Volksentscheid am Tag der Europa- und Bürgerschaftswahl stattfinden kann. Ein gesonderter Volksentscheid-Termin später hätte mehrere hunderttausend Euro an zusätzlichem Aufwand bedeutet und es hätte die Gefahr bestanden, dass er schlicht an der geringen Beteiligung gescheitert wäre. Die Koalition setzt aber darauf, dass das Ziel der „Bürgerinitiative Rennbahn“, eine Bebauung des Geländes zu verhindern, mehrheitlich abgelehnt wird.
Abgestimmt wird am Wahltag über ein Ortsgesetz mit der Überschrift: „Für unser lebenswertes Bremen – städtebauliches Konzept zur Erhaltung des Rennbahngeländes im Bremer Osten als Grün-, Erholungs- und gemeinschaftlich genutzte Fläche“, und das klingt so, dass man eigentlich nichts dagegen haben kann. Den grünen Stadtpolitiker Robert Bücking trieb die Sorge, dass eine Mehrheit gegen dieses Ortsgesetz nicht selbstverständlich ist, wie ja auch die Politik einigermaßen überrascht darüber war, dass beim Volksbegehren für den Volksentscheid mühelos über 20.000 Unterschriften zusammenkamen.
Die Absicht, das Gelände für eine Wohnbebauung zu nutzen, war der einzige mögliche Kündigungsgrund Bremens gegenüber dem ehemaligen Betreiber, dem Rennverein. Für eine Bebauung spräche außerdem, dass die große Rennbahn-Fläche den Druck auf andere bebaubare Flächen deutlich mindern würde.
In ihren Anfängen hatte die Bürgerinitiative (BI) auch den Erhalt des Rennbahn-Betriebes gefordert. BI-Sprecher Andreas Sponbiel hatte als Vertreter von „Bürger in Wut“ (BIW) im Beirat Vahr erklärt, die Bremer Rennbahn „gehört zu Bremen, wie der Roland und das Weserstadion. Wir Bürger in Wut kritisieren, dass die traditionelle Sportstätte dem Wohnungsbau zum Opfer fallen soll“. Inzwischen ist Sponbiel, Kopf der Bürgerinitiative, auch Beisitzer im Landesvorstand von „Bürger in Wut“.
Unterstützung erhält die Bürgerinitiative von der Bremer CDU, obwohl die grundsätzlich fast überall für die Nutzung von Wohnungsbauflächen ist. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Röwekamp will den Widerspruch so lösen, dass er zunächst den Volksentscheid unterstützt. Wenn die Ablehnung dann als Ortsgesetz zementiert ist, will er an einem runden Tisch über die „bestmögliche Nutzung des Geländes“ reden und das Ergebnis des Volksentscheides aufweichen.
Vorschlag „Halbe-halbe“
Bücking hatte Ende Januar eine Initiative ergriffen mit dem Ziel, dass dem Motto „Für unser lebenswertes Bremen“ das seiner Meinung nach ebenso populäre Motto „Halbe-halbe“ entgegengestellt wird, mit dem der Senat verpflichtet würde, nur die Hälfte der 35 Hektar für die Bebauung freizugeben und die andere Hälfte „grün“ zu lassen. Die Bürgerschaft könnte per Beschluss in diesem Sinne einen zweiten „Volksentscheid“ anmelden, ohne dafür Unterschriften zu sammeln, so wie es vor vier Jahren bei dem Volksentscheid zur Verlängerung der Legislaturperiode ebenfalls passiert ist.
Die SPD lehnte diesen Vorschlag aber ab mit dem Argument, dass das Verfahren zu kompliziert würde. Nun wollen die Grünen gemeinsam mit der SPD im Hinblick auf den Volksentscheid öffentlich deutlich machen, dass Bremen Flächen für den Wohnungsbau braucht und daher auf das Rennbahngelände nicht verzichten kann. Auch der Regionalausschuss der Beiräte Hemelingen und Vahr hatte gefordert, die Hälfte des Geländes für bezahlbares Wohnen zu nutzen und die andere für Grün, Freizeit und Sport.
In verschiedenen Runden eines vorgezogenen Bürgerbeteiligungs-Verfahrens hatte das grüne Bauressort auch deutlich gemacht, dass das Ziel eine aufgelockerte Bebauung sei, ohne sich aber auf eine Fläche festzulegen. Die Menschen, die bei dem Volksbegehren Rennbahn unterschrieben haben, wurden damit offenbar nicht überzeugt.
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