Bayerns FDP-Chefin über Koalitionsoptionen: "Für ein liberaleres Bayern"
Bayerns FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stellt der CSU Bedingungen: Für eine Koalition müsse das Versammlungsrecht und das Onlinedurchsuchungs-Gesetz geändert werden.
Die FDP muss der CSU unter die Arme greifen, denn die kann nach der Bayern-Wahl nicht mehr allein regieren. Die Führung der Konservativen hat angekündigt, sowohl mit der FDP als auch mit den erstmals im Landtag vertretenen Freien Wählern Gespräche über eine Koalition zu führen. Mit 8 Prozent der Stimmen waren die Liberalen seit Jahren der Abstinenz wieder in das Parlament eingezogen, sie werden 16 der künftig 187 Abgeordneten stellen. Prominenteste Figur der Freien Wähler ist die ehemalige CSU-Rebellin Gabriele Pauli. Ihre Gruppierung bekam 10 Prozent der Stimmen und damit 21 Mandate. Die ihrer absoluten Mehrheit verlustig gegangene CSU besetzt 92 Plätze im neuen Landtag. Laut verschiedenen Äußerungen aus der Union ist die FDP der weitaus wahrscheinlichere Koalitionspartner. Aus diesem Grund fragte die taz die bayerische FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nach ihren Bedingungen für eine Koalition.
taz: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hat Sie Horst Seehofer schon angerufen?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, der hat mich noch nicht angerufen. Die CSU scheint erst einmal Zeit zu brauchen, um sich zu sortieren. Die soll sie haben.
Kein Anruf? Die FDP ist doch Wunschpartner der CSU.
Sicher ist noch nichts. Die CSU hat verkündet, unter anderem Gespräche mit den Liberalen und den Freien Wählern zu führen. Wenn die CSU uns Gespräche anbietet: Wir stehen bereit.
Was hat Bayern davon, wenn Sie mit der CSU koalieren statt die Freien Wähler?
Die Freien Wähler sind sehr heterogen. Die FDP steht für klarere Inhalte, und wir sind besser organisiert. Und wir haben große Erfahrung in Bayern, im Bund und im EU-Parlament.
Sie und Ihr bayerischer Parteifreund Max Stadler stehen für die Bürgerrechtsseite der FDP. Wie lässt sich das vereinbaren mit dem Law-and-Order-Gehabe der CSU?
Die FDP ist mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen: Wir wollen Bayern liberaler machen. Deshalb würde mit uns einiges anders werden.
Was zum Beispiel?
Wir halten die Ausgestaltung der Onlinedurchsuchung im bayerischen Polizeiaufgabengesetz nicht für verfassungskonform. Und man kann nicht zulassen, dass in Bayern ein teilweise verfassungsrechtlich bedenkliches Versammlungsgesetz gilt.
Ihre Partei zählt zu den 13 Gruppen, die Verfassungsbeschwerde gegen das am Mittwoch in Kraft getretene Versammlungsrecht eingelegt haben. Nach Meinung von Kritikern soll es potenzielle Demonstranten einschüchtern. Scheren Sie nun aus der Klagefront aus, um die CSU nicht zu vergrätzen?
Wir halten einige Passagen davon für verfassungswidrig, aber nicht das gesamte Gesetz. Uns kommt es darauf an, dass wir da Änderungen hinbekommen. Das kann über eine Klage funktionieren, aber auch während möglicher Koalitionsverhandlungen zum Thema gemacht werden. Uns geht es ums Ergebnis.
Wollen Sie nach acht Jahren als Landeschefin bayerische Justizministerin werden? Da könnten Sie zeigen, dass die FDP für mehr steht als den Ruf nach niedrigen Steuern.
Wir haben noch nicht mal eine Einladung zu Koalitionsgesprächen, und da soll ich über Posten reden? Nein, wir werden schauen, was wir an liberalen Inhalten durchsetzen können, und dann über Personen reden. Alles andere wäre nicht nur falsch, sondern dumm.
Sie könnten sich sehr beliebt machen, wenn Sie als Ministerin das strikte Rauchverbot in Bayern lockerten.
Das Rauchverbot ist sicher ein Thema, über das wir verhandeln werden.
Ihr Generalsekretär schwärmt bereits, mit einer CSU-FDP-Koalition hätte Ihre Partei einen Hebel, um über den Bundesrat Bundespolitik zu machen. Denn bei einer Enthaltung Bayerns hätte die große Koalition nur eine wacklige Ein-Stimmen-Mehrheit.
Jede Koalition auf Landesebene legt ja vorher fest, wie sie bei strittigen Themen im Bundesrat abstimmen wird.
Und welche Themen könnten das sein?
Moment, wir haben ja noch nicht mal Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Aber es ist kein Geheimnis, dass wir beispielsweise gegen die Einführung des Gesundheitsfonds zum Beginn nächsten Jahres sind. Und wir wollen, dass die Gesetzgebungskompetenz bei der Erbschaftsteuer den Bundesländern überlassen werden soll.
INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE
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