Bayern besiegt Wolfsburg: "Ich bin böse auf die Spieler"
Bayern-Trainer Louis van Gaal ist nach dem souverän herausgespielten 3:1 beim kriselnden Meister VfL Wolfsburg "böse" auf seine Spieler. Echter Ärger oder alles nur Strategie?
WOLFSBURG taz | Louis van Gaal ist böse. Das sagt der Trainer des FC Bayern München zumindest. Grund ist das souveräne 3:1 beim deutschen Fußballmeister VfL Wolfsburg. Für van Gaal, 58, war der Fußball seines Teams nämlich nicht souverän, sondern "unkonzentriert" und "arrogant". Diese Sicht der Dinge hat einige verwundert, nicht zuletzt Bayern-Spieler. Aber, er ist der Boss.
Ob van Gaal tatsächlich verärgert war oder den Bayern einen strategischen Dämpfer gönnt, war aus seinem Auftreten in Wolfsburg nicht zu entschlüsseln. Der amtierende Vizemeister ist nun punktgleich mit Tabellenführer Leverkusen. Man hat acht Bundesligaspiele in Folge gewonnen (plus zweimal in der Champions League) und ist seit 14 Spielen unbesiegt. Vielleicht will van Gaal Selbstzufriedenheit vorbeugen.
Die van Gaal-Bayern sind, das ist die Erkenntnis des bisherigen Rückrundenverlaufs, ein sehr ernsthafter Anwärter für die Nachfolge der Wolfsburger. Van Gaal hat nach einigem Holpern zu Beginn seiner Münchner Zeit seinen Positionsfußball erfolgreich modifiziert. Derzeit kann das Team auf Grundlage der nötigen defensiven Kompaktheit und mit Hilfe individueller Extraklasse seinen Kombinationsfußball durchsetzen - gegen unterlegene Gegner wie Wolfsburg sogar relativ problemlos. Robben (2.), van Buyten (26.) und Barzagli (57., Eigentor) trafen für den FC Bayern, Grafite (90). für Wolfsburg.
Mit individueller Klasse ist zunächst Arjen Robben gemeint, der das erste Tor erzielte, beim zweiten die Ecke schlug und das dritte mit einem Klassepass vorbereitete. Robbens Tempodribblings können potentiell zu jedem Zeitpunkt auch eine formierte Abwehr aufreißen und sind in der Bundesliga solitär. Solange Franck Ribery nicht topfit ist, heißt das. In Wolfsburg kam der Franzose zur Halbzeit, wobei sich van Gaal den Luxus leistete, einen Spieler wie Olic rauszunehmen und Müller dafür von der linken Seite in die Spitze zu beordern. Ein Kaliber wie Klose wird gar derzeit nur aus psychologischen Gründen eingewechselt (81.), gebraucht wurde er definitiv nicht mehr.
Der "Arroganz"-Fußball bestand für van Gaal darin, dass man nach 2:0-Führung "unkonzentriert" gespielt habe und dadurch einige Chancen zugelassen hätte. Was er nicht sagte - gegen einen Gegner, der klinisch tot zu sein schien. "Wir haben hart arbeiten müssen, um hierhin zu kommen", sagt van Gaal, "und das darf man nicht in einem Spiel verlieren. Deshalb bin ich böse auf meine Spieler."
Arjen Robben wagte Widerspruch. Man sei tatsächlich nicht konzentriert genug gewesen, okay, aber: "Arrogant waren wir nicht, da bin ich nicht einverstanden." Dass man das Spiel wie schon das letzte gegen Bremen auch hoch hätte gewinnen können, das war auch Robben klar. Aber wenn es am Ende drei Tore seien, "dann ist das doch auch ganz gut, oder?"
Das ist es, keine Frage. Die Bayern haben 26 Tore in den letzten acht Spielen erzielt, in Wolfsburg zudem zwei sehenswert herausgespielt. Da wird es sehr interessant, wenn man demnächst, z.B. in der Champions League, gegen einen Gegner auf Augenhöhe antritt. Das sind Spiele, wo es auf Nuancen ankommt, und sehr wahrscheinlich hat van Gaal das im Blick, wenn er auf einzelnen, in Wolfsburg bedeutungslosen Fehlern herumreitet, etwa von Schweinsteiger, van Bommels neuem Partner auf der Doppel-Sechs.
Was den VfL Wolfsburg angeht, so hat Interimstrainer Lorenz-Günther Köstner Armin Vehs Ballbesitzfußball entschärft. Er ließ das Team gegen die Bayern tief stehen und mit einer ganzen Menge Flugbällen arbeiten. Ergebnis: Zwanzig konkurrenzfähige Minuten. Doch häufig artete der schnelle Ball in Aktionismus aus - und in zusätzliche Arbeit, um ihn mühsam zurückzugewinnen. Köstner, 57, hat seinen Versuch der Stabilisierung des kriselnden Meisters zur Moral- und Tugendfrage erklärt. Mehr tun, mehr laufen, härter arbeiten (und enger und konzentrierter verteidigen).
Köstner hatte den Kopf eingezogen, wie am Ende sein Team, die Stimme aber dafür ungewöhnlich laut eingestellt, als er darüber referierte, was geschehen müsse, bis "wir es irgendwann mal wieder verdient haben, Siege einzufahren." Man darf indes davon ausgehen, dass er den nächsten Sieg als verdient einstufen wird. So er ihn noch erlebt. Der VfL hat nun neun Ligaspiele nicht gewonnen, das Selbstbewusstsein der Spieler ist entsprechend klein. Doch nicht das von Grafite. Vor knapp zehn Monaten hatte er beim 5:1 gegen die Bayern an selber Stelle des Tor seines Lebens erzielt. Diesmal war er - wie zuletzt immer - kaum im Spiel, trat dennoch selbstbewusst zum Elfmeter an, verschoss ihn - und gab dennoch nicht auf.
Andere hätten sich in den Boden eingegraben, doch Grafite machte das, was er immer macht: weiter. Und erzielte in letzter Sekunde dank Dzekos meisterhafter Vorarbeit und van Buytens gescheiterter Klärung tatsächlich einen Treffer. "Hätte ich ihn rausgenommen", schrie Köstner, "hätten die Leute gesagt, der Trainer hat es kapiert." Statt Populismus zu betreiben, habe er indes "zu ihm gestanden." Grafite, nämlich, hat in der Woche freiwilliges Extratraining gemacht. Sowas gefällt Köstner. Vielleicht wäre das ja auch ein Engagement, mit dem die Bayern-Profis aus dem bösen van Gaal wieder den guten Louis machen könnten.
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