Bayern München in der Krise: Der Kompass zum Erfolg? Verloren!
Vor der Partie bei Lazio Rom liegt beim FC Bayern vieles im Argen. Trainer Thomas Tuchel steht stark in der Kritik, doch die Probleme liegen tiefer.
Die Spieler des FC Bayern sind gut geübt darin, die eigene Überzeugung mit angemessener Zurückhaltung zu vermischen, wenn es angebracht ist. Als die Fußballwelt beim deutschen Rekordmeister noch halbwegs in Ordnung war, sprach Kapitän Manuel Neuer deshalb davon, gegen Lazio Rom natürlich Favorit zu sein, „aber wir dürfen sie nicht unterschätzen“ – ein Satz aus dem Phrasenrepertoire einer Mannschaft, für den ein Klub aus dem Mittelfeld der italienischen Serie A kein Hindernis sein darf.
Das war kurz vor Weihnachten bei der Auslosung des Champions-League-Achtelfinales, die Bayern lagen trotz Platz zwei in der Bundesliga auf Kurs. Gerade eben hatten sie im wichtigen Bundesligaspiel gegen den starken VfB Stuttgart bewiesen, dass sie da sind, wenn es darauf ankommt. Jetzt, knapp zwei Monate später, haben sie vor der ersten Achtelfinal-Partie gegen Lazio Rom an diesem Mittwoch im Stadio Olimpico di Roma bewiesen, dass sie nicht mehr unbedingt da sind, wenn es darauf ankommt. Der Kompass, auf den sich der FC Bayern selbst in schwierigeren Phasen verlassen konnte, ist den Münchnern verloren gegangen.
Noch immer sind sie Favorit im Achtelfinale, aber die Römer, die sich seit der Auslosung auf den achten Platz verbesserten und – im Gegensatz zu Bayern – ihr Liga-Spiel am vergangenen Wochenende gewannen, wittern die Chance, „mit purer Freude und Leichtigkeit“, wie es Lazio-Stürmer Ciro Immobile formulierte, eine Überraschung zu schaffen. Mit jener Freude und Leichtigkeit, die den Bayern eben abhandengekommen ist.
Extern wird seit der Niederlage in Leverkusen über Trainer Thomas Tuchel diskutiert, nicht nur wegen seiner schwer nachvollziehbaren Taktik im Spitzenspiel, sondern auch wegen ein paar Personalentscheidungen, die von außen betrachtet, nun ja, zumindest fragwürdig erschienen. Damit, mutmaßte so mancher Experte, habe Tuchel auch noch die betroffenen Spieler wie Joshua Kimmich, Matthijs de Ligt oder Thomas Müller geschwächt.
Gut, die Experten, zumeist ehemalige Bayern-Spieler, werden keine Freunde mehr von Tuchel. Aber auch viele Fans sind der Meinung, dass ein Teil des Problems, wenngleich vermutlich nicht das alleinige, der Trainer ist. Die Verantwortlichen sehen das womöglich genau so, aber eine Freistellung von Tuchel steht – Stand jetzt – nicht zur Debatte.
Die Probleme beim FC Bayern liegen allerdings tiefer, in der Zusammensetzung der Mannschaft. Zu wenige Anführer, die mit Drucksituationen zurechtkommen, zu viele Schönspieler ohne Widerstandskraft. Daraus resultiert, dass die gesamte Mannschaft gehemmt wirkt, sich immer weniger zutraut, vor allem auch gegen Teams, die sehr defensiv agieren, wie es auch Lazio Rom tun wird. „Wenn ein Gegner tief verteidigt, gibt es nicht so viele einfache Lösungsmöglichkeiten“, wird Jamal Musiala auf der Bayern-Homepage zitiert. „Wir müssen kreativ sein“, sagt er, und es sei wichtig, „dass unser Energielevel auf dem Maximum ist“. Das war es in den vergangenen Wochen aber kaum einmal.
In dieser Saison geht es nur noch darum, den Schaden zu begrenzen. Und das könnte noch am ehesten in der Champions League gelingen. Tatsächlich scheint es im Moment einfacher für die Münchner, die Königsklasse zu gewinnen, als Meister zu werden, denn anders als in der Bundesliga haben sie es in Europa selbst in der Hand.
Aber wer glaubt schon daran, dass die Bayern in einem möglichen Viertel- oder Halbfinale gegen Klubs wie Manchester City oder Real Madrid bestehen könnten? Jedenfalls nicht in der aktuellen Form, weiß Thomas Müller. Er hat in einem Post in den sozialen Medien auch die Meisterschaft noch nicht abgeschrieben, „aber erst mal müssen wir unsere Sachen richtig machen“. Höchste Zeit, damit in Rom anzufangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern