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Bayerisches JustizdramaGeneralbundesanwalt hilft Mollath

Harald Range fordert eine neue Prüfung der Psychiatrie-Unterbringung von Gustl Mollath. Diese Stellungnahme könnte bald die Freiheit bringen.

Schützenhilfe zwar nicht gleich vom Herrgott, aber immerhin aus Karlsruhe: Gustl Mollath. Bild: dpa

FREIBURG taz | Generalbundesanwalt Harald Range setzt sich für Gustl Mollath ein, der seit sieben Jahren in der bayerischen Psychiatrie sitzt. In einer Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht spricht Range von einer Verletzung der Freiheitsrechte Mollaths. Es sei „unzureichend“ begründet worden, warum der Franke immer noch in der Psychiatrie bleiben müsse.

Das Landgericht Nürnberg hatte 2006 angenommen, dass Mollath seine Frau geschlagen und die Reifen von vermeintlichen Verbündeten seiner Frau zerstochen hat. Er sehe sich im Kampf gegen Schwarzgeld-Verschiebungen, in die seine Frau verwickelt sei, hieß es. Wegen Schuldunfähigkeit aufgrund einer Wahnvorstellung wurde Mollath freigesprochen, aber zugleich in die Psychiatrie eingewiesen.

Ein Antrag auf Wiederaufnahme des damaligen Verfahrens war vorige Woche vom Landgericht Regensburg abgelehnt worden. Mollath hatte Anfang 2012 aber auch Verfassungsbeschwerde gegen seine fortdauernde Psychiatrie-Unterbringung eingereicht. Konkret geht es um einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg, das 2011 feststellte, von Mollath gehe immer noch eine hohe Gefahr erheblicher Straftaten aus.

Keine korrekte Prüfung der Verhältnismäßigkeit

Generalbundesanwalt Range kritisiert diesen Beschluss in einer 24-seitigen Stellungnahme, die der taz vorliegt. Das OLG habe keine Belege für die Annahme geliefert, dass von Mollath erhebliche Straftaten drohten. So habe das Gericht nicht dargelegt, welche Gefahr mit welcher Wahrscheinlichkeit konkret von Mollath ausgehe. Das OLG habe nur festgestellt, dass Mollath immer noch „uneinsichtig“ sei und gegenüber seinen Mitpatienten "provozierend und dominant" auftrete.

Zitiert wird vom OLG schließlich die Prognose des Sachverständigen Friedemann Pfäfflin, wonach Mollath in Freiheit mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ Straftaten begehen werde. Doch auch dies werde nicht näher begründet, kritisiert Range.

Das OLG habe sich auch nicht mit Aspekten auseinandergesetzt, die zugunsten Mollaths sprächen, etwa dass es sich beim Konflikt mit seiner Frau um eine Beziehungstat handelte und die Ehe jetzt geschieden sei. Heute äußere Mollath keinerlei Rachegedanken gegen seine Frau. Seine Aggressionen kompensiere er vielmehr mit zahlreichen Klagen und Eingaben. Sein Verhalten in der Psychiatrie sei unauffälliger und angepasster als am Anfang. Lockerungen, zum Beispiel Ausgänge, habe er nicht missbraucht.

Range wirft dem OLG Bamberg auch vor, dass es keine korrekte Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchgeführt habe. Je länger die zwangsweise Unterbringung in der Psychiatrie fortdauere, desto schwerer wiege schließlich Mollaths Freiheitsrecht in der Abwägung mit den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit.

Runge: Freiheitsrechte verletzt

Der Generalbundesanwalt kommt zum Schluss, dass das OLG Bamberg mit seiner mangelhaften Prüfung die Freiheitsrechte Mollaths aus Artikel 2 und 104 des Grundgesetzes verletzt habe. Eine neue Prüfung und Entscheidung sei erforderlich, so der oberste deutsche Staatsanwalt aus Karlsruhe.

Es spricht viel dafür, dass das Bundesverfassungsgericht Range folgt und noch im August eine entsprechende Entscheidung verkündet. Mollaths Anwalt Michael Kleine-Cosack geht davon aus, dass der 56jährige dann „umgehend freizulassen“ ist.

Mit Blick auf die bayerischen Richter erklärte Kleine-Cosack: „Von solchen Juristen gehen weitaus größere Gefahren für den Rechtsstaat aus als von Beschuldigten, denen man ein Bagatelldelikt vorwirft.“

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13 Kommentare

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  • MR
    Mario Ragazzo

    ..beobachte diese Geschichte schon seit längerem aus Österreich und bin erstaunt wie Recht und Psychiatrie in Bayern Menschenrechte verletzen und dann noch diese Justizministerin....ihre anfänglichen Statements dazu sind einfach der Hammer....ich frage mich aus der Distanz...spielt diese Dame die Unter - Belichtetheit oder darf man etwas anderes annehmen.....

  • Der Vorstoß des Generalbundesanwalts kommt reichlich spät, ist aber unbedingt zu begrüßen.

     

     

     

    Hätte Mollath seine Frau erschlagen, wäre er bei guter Führung nach sechs Jahren frei gewesen - hat er aber nicht!

     

     

     

    Wenn man bedenkt, dass es nie eine juristisch einwandfreie Klärung der Vorwürfe gegen Mollath gab, weil man von Anfang an unterstellt hat, er sei einem Wahn verfallen, dann ist es mit seiner Entlassung aus der Psychiatrie allein nicht getan.

     

    Er muss vollständig rehabilitiert werden, es müssen noch haufenweise Köpfe rollen und die gesamte Praxis der Psychiatrieeinweisungen sowie jeder einzelne Fall der letzten 10 Jahre gehört auf den Prüfstand,- denn Mollath ist keineswegs Einzelfall.

     

     

     

    Erst danach könnte man sich beruhigt zurücklehnen.

  • I
    Irgendwer

    Ignoriert man diverse Vorsätzlichkeiten, die sich durch den Anschein aufdrängen, dann bleibt eigentlich nur übrig, daß hier diverse Beteiligte gravierende, den Rechtsstaat gefährdende psychische Defekte aufweisen, die auch bei fachkundiger fairer Beurteilung eine dauerhafte Unterbringung dieser Personen in einer geschlossenen Anstalt rechtfertigen würden. Leider tickt unsere Bananenrepublik anders, denn hier sperrt man ersatzweise die Gesunden weg.

  • A
    Advo

    Die Namen und Range und

     

    Runge sind nicht identisch, man muss sich da schon festlegen.

     

     

     

    Aber generell finde ich die Nachricht erst einmal

     

    sehr positiv.

     

    Nur wie auch im Fall von

     

    Justizministerin Merk gilt,

     

    es zählen Taten und nichts anderes.

     

    Die im Fall Mollath betrauten

     

    RichterInnen und GutachterInnen

     

    gehören noch einmal ganz genau

     

    auseinandergenommen.

     

    Der Vorwurf der Rechtsbeugung

     

    und RichterInbeeinflussung

     

    muss sicher ausgeschlossen werden. Man kann das nicht

     

    auf sich bewenden lassen.

  • W
    Wolfgang

    Der modifizierte (moderne) Staats- und Kapital-Faschismus, nennt sich heute "bürgerliche Demokratie" und "Soziale Marktwirtschaft" [- der Finanz-Terroristen und Monopol-Mafia, der objektiv herrschenden Großbourgeoisie des deutsch-europäischen Kapitals!] -

     

     

     

    Und die staatsmonopolistische und gesellschaftspolitische Gaucksche Beamtenschaft und Administration, der großdeutschen Bourgeoisie, aller bürgerlichen Parteien, Bundesregierungen und Parlamentsmehrheiten, betätigt sich als juristisch geschützter Zuhälter der fortwährenden gewaltsamen Zwangsprostitution.

     

     

     

    Eben, modernes Deutschland, nicht nur 2013.

  • Der Fall Mollath ist ganz klar ein Justizskandal, der die Korruptheit einiger weniger Menschen dokumentiert, die zu viel Macht haben ... dachte ich. Aber jetzt, in dieser Zeit, in der in Deutschland nichts mehr unmöglich scheint ... (Ungerechtfertigte Übergriffe der Polizei vielerorts - ohne Ahndung, Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft, Tempora, Prism, XKeystore, keine Netzneutralität, Atomkraft schon wieder ein Thema - gegen den Willen der Bevölkerung, Besuch von Geheimdienstlern und Polizei bei kritischen oder nur humorvollen Geistern u.v.m.) - alles ist möglich bei uns. Auch, dass ein Mensch wegen Bagatelldelikten, aus dem Affekt geboren, mehrere Jahre weggesperrt wird. Auch, dass er so lange missachtet, gedemütigt und hingehalten wird, bis er, wenn er denn jetzt endlich freikommen sollte, vermutlich tatsächlich ausrastet, um sich Luft zu verschaffen. Was dann den eigentlichen Verbrechern wieder die Oberhand gibt, um zu sagen, sie hätten es ja gewusst, sperren wir ihn wieder weg.

     

    Ihr seid gut, ihr seid wirklich gut. Hut ab! Perfide und mächtig. Zu mächtig.

  • W
    wirdnichtzurentscheidungangeen

    da sich doch alle maßgebenden Juristen einig sind,

     

    Dass Mollath zu Unrecht in der Anstalt einsitzt

     

    fragt es sich warum keiner auch nicht das Bindesverfassungsgericht die sofortige Freilassung anordnet.Das dieses Gericht noch im August entscheiden will ist loeblich.Wenn eine Person offenbar zu Unrecht in Haft ist muss sie sofort freigelassen werden.Rechtsstaat Freiheiitsrechte,Grundrecht auf Freiheit alles leere Worthuelsen.Auch das Bundesverfassungsgericht lasest erst einmal einsitzen.

  • Guuuter General.Wenn Mollath rauskommt, fliegen die Fetzen. Das fürchten die reichen Sünder, deshalb kämpfen sie verbissen. Die hilflose Argumenation der Kerkerknechte wirkt nur immer kruder und die Intrige stinkt durch allen Ritzen.

    • E
      Ernst
      @lions:

      Wenns wirklich nur um Schwarzgeld geht, dann dsit das doch bestimmt bald verjährt, dann wird man ihn sicherlich frei lassen können!

      • @Ernst:

        @ Ernst

         

        völlig richtig, es ist bereits verjährt, doch die Veröffentlichung der Täter trägt hoffentlich stigmatisierend zur "Waschung" bei, vorallem die, die in Politik, Justiz oder High Society verwurzelt sind oder waren.

         

        Bei der Veröffentlichung wird die Justiz selbst keine Rolle spielen, doch gibt es noch gesicherte Unterlagen in Frankreich und Schweiz, wenn man Mollaths Anwälten glauben darf. Die Presse scharrt schon mit den Hufen.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Er sei "uneinsichtig" etc usw - das sind Argumente wie gegen Leute, die in die Ecke oder in den Karzer gesteckt wurden. Fuer was halten sich die betreffenden Beamten eigentlich. Wenn Mollath Recht hat und das hat er nachweislich, gehoert die "Uneinsichtigkeit" zur psychischen Gesundheit.

     

     

     

    Die Justizbeamten wirken in ihren Begruendungen gleich dem Drachen Frau Maltzahn aus Jim Knopf. Nur war die arme Frau Maltzahn ein guter jedoch nur zum Boesen verwunschener Drache (vgl China kennt keine boesen Drachen). Ueber den Justizbeamten usw scheint ein Zauber zu liegen, dessen Wirken jedem auffaellt, nur nicht den Betreffenden.

     

     

     

    Es waere ausserdem mal zu untersuchen, ob hinter den Urteilen und Verfuegungen nicht Bossing steckt. Das ist ein Tabu in den Positionen. Mutwilligkeit und Behoerdenwillkuer hat laengst de facto einen Zusatzbegriff bekommen.

  • M
    malso

    Eine gute Nachricht!

     

     

     

    Der Generalbundesanwalt Harald Range soll den Amigos richtig einheizen!

     

     

     

    Wir hoffen, dass Herr Mollath bald frei kommt!

     

     

     

    Die ganze Justiz der BRD muß entrümpelt werden!