Bayerische Nebenaußenpolitik: Horst, der Riesenstaatsmann
Bayerns Ministerpräsident Seehofer spricht sich in Moskau für eine Lockerung der westlichen Sanktionen aus – „in überschaubarer Zeit“.
Putin gab sich etwas reservierter, gleichwohl auch ausgenommen freundlich. Ihm war jedoch anzumerken, dass er darauf achtete, die Statusschwelle nicht zu überqueren. Der Ministerpräsident aus München ist vom Rang her vergleichbar mit den Gouverneuren der russischen Teilgebiete. Davon gibt es mehr als 80.
Das Kremlprotokoll war gefordert. Keinesfalls durfte der Eindruck entstehen, Moskau hätte auf den CSU-Chef ungeduldig gewartet, weil hochkarätige Staatsgäste aus dem Westen seit Langem ausbleiben. Schon der schmucklose Raum, sonst Bediensteten vorbehalten, enthielt eine Botschaft.
In den vom russischen Fernsehen ausgestrahlten Gesprächsfetzen nahm Seehofer eine Haltung ein, die ein wenig an russische Amtsträger erinnerte, wenn sie beim Kremlchef zum Rapport antreten. Dazu passte denn auch der versöhnlich säuselnde Ton, mit der Bayer den Austausch eröffnete: „Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in schwierigem Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen“, bekräftigte er. Was sollte Putin darauf anderes erwidern als: „Daran wollen wir mitwirken.“
„Wir wollen wieder Geschäfte machen“
Putin dankte dem Besucher auch für dessen Bemühungen, die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland zu normalisieren. Schon vorher war der Kreml dem Bayern zur Seite gesprungen. Putins Pressesprecher Peskow hob die ehrlichen Absichten des Besuchers hervor.
Seehofer sprach sich erneut für die Lockerung der Sanktionen des Westens „in überschaubarer Zeit“ aus. Er könne sich das „in Schritten oder in einem Schritt“ vorstellen. Das war der Schlüsselsatz, warum Moskau ihn empfing. Seine kritische Haltung gegenüber den Sanktionen stünde der russischen Regierung näher als die der Befürworter, sagte Peskow. „Man muss hier aber keine Verschwörungen oder Pläne suchen.“
Seehofer versäumte es auch nicht, auf die „Hausaufgaben“ hinzuweisen, die Russland im Konflikt mit der Ukraine noch zu leisten habe, um das Sanktionsregime aufzuweichen. Formal unterlief dem CSU-Chef kein Fehler. Die zentrale Botschaft war ohnehin vor ihm eingetroffen: „Wir wollen wieder Geschäfte machen.“
Russland sieht in Seehofer einen Gegenspieler Angela Merkels. Putin versucht, jede Chance zu nutzen, an ihrem Stuhl zu sägen. Das Endziel ist der Zerfall der EU. Nützliche Idioten, Narzisse und Machtautisten heißt er daher willkommen. Bis dahin allerdings sind Walter Steinmeier und Angela Merkel noch die echten Ansprechpartner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist